Bonner Grundlagenforschung auf dem Weg zum Quantencomputer Ein seltsamer Materiezustand

Bonn · Bonner Physiker haben eine neue Entdeckung zu Bose-Einstein-Kondensaten gemacht: Ein wichtiges naturwissenschaftliches Gesetz gilt auch für sie.

Kerzenwachs ist um so weniger zäh, je heißer es ist. Mutatis mutandis gilt dieses „Fluktuations-Dissipations-Theorem“ für ganz viele Bereiche der Physik (Symbolbild).

Kerzenwachs ist um so weniger zäh, je heißer es ist. Mutatis mutandis gilt dieses „Fluktuations-Dissipations-Theorem“ für ganz viele Bereiche der Physik (Symbolbild).

Foto: picture alliance / dpa/Fazry Ismail

In kalten Objekten bewegen sich Moleküle nur wenig, in heißen hingegen sehr stark. Innere und äußere Bewegung hängen dabei zusammen – die innere ist um so geringer, je schwieriger es ist, die äußere zu erzeugen.

Deutlich wird das an zähflüssigen Stoffen wie Kerzenwachs: Sobald es sich leichter umrühren lässt, ist erwiesen, dass es auch heißer geworden ist – ganz ohne dass man ein Thermometer reinhalten muss. Als „Fluktua­tions-Dissipations-Theorem“ ist das ein wichtiges Prinzip der Naturwissenschaft.

Forschende vom Institut für Angewandte Physik der Uni Bonn haben seine Gültigkeit nun „erstmals für eine sehr spezielle Gruppe von Systemen bewiesen: für Bose-Einstein-Kondensate (BECs)“, erklärt Dr. Julian Schmitt, Nachwuchsgruppenleiter am Institut. Dieser seltsame Materiezustand bedeutet, dass viele Teilchen quasi zu einem einzigen großen Teilchen verschmelzen.

In BECs besteht die „Fluktuation“ darin, ob sie aus mehr oder aus weniger Teilchen bestehen. Auch sie nimmt mit steigender Temperatur zu. „Wenn das Theorem auch bei BECs zutrifft, müssten diese umso leichter auf Störungen reagieren, je größer die Fluktuation ihrer Teilchenzahl ist“, beschreibt Schmitt den Forschungsansatz.

Problem: „Leider ist das Ausmaß der Schwankung bei den meisten BECs zu klein, als dass sich dieser Zusammenhang nachweisen ließe.“ Die Bonner Forschenden hatten dieses Problem nicht. Sie arbeiten mit BECs aus Lichtteilchen (Photonen), die mit Farbstoff-Molekülen interagieren.

Dabei kommt es immer wieder vor, dass diese Moleküle Energie absorbieren (also einzelne Photonen „verschlucken“) oder Energie abgeben (sie „wieder ausspucken“). Die Zahl der Photonen im Kondensat schwankt daher vergleichsweise stark und ist besser messbar als in anderen BECs.

Die Experten haben nun untersucht, wie die Fluktuation mit der „Störbarkeit“ des BECs zusammenhängt. Wenn das Theorem gilt, sollte diese mit sinkender Fluktuation abnehmen. „Tatsächlich konnten wir diesen Effekt in unseren Experimenten bestätigen“, sagt Schmitt.

Dass es nun leichter möglich ist, aus leicht messbaren Parametern von BECs auf ihre mikroskopischen Eigenschaften zu schließen, „eröffnet auch den Weg zu neuen Anwendungen, etwa zur genauen Temperaturbestimmung von Licht“, sagt Schmitt.

Wohin das die Menschheit konkret bringt, lässt sich zwar noch nicht sagen, weil es Grund­lagenforschung ist – aber möglicherweise könnte es irgendwann bei der Konstruktion eines Quantencomputers helfen.

Der Fachaufsatz ist in den „Physical Review Letters“ erschienen; hier ist das Abstract abrufbar (Artikelkennziffer DOI: 10.1103/PhysRevLett.130.033602)

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