Herzmedizin bei minus 60 Grad Bonner Uniklinik betreibt eines von 40 „Vorhofflimmer-Zentren“ in Deutschland

Bonn · Das Herzzentrum der Bonner Uniklinik ist nun eins von 40 offiziell zertifizierten „Vorhofflimmer-Zentren“ in Deutschland. Bei einigen Behandlungen geht es recht eisig zu.

 An der Spitze eines Katheters sitzt ein kleiner Ballon. Auf diesem Bild hat er etwa Körpertemperatur ...

An der Spitze eines Katheters sitzt ein kleiner Ballon. Auf diesem Bild hat er etwa Körpertemperatur ...

Go-gong, Go-gong (so oder so ähnlich klang es zumindest bei Patrick Swayze und Jennifer Grey im Film „Dirty Dancing“): Mit etwa 60 bis 80 Schlägen pro Minute versorgt das Herz im Ruhezustand den Körper und seine Organe mit sauerstoffreichem Blut und Nährstoffen.

Doch was passiert, wenn der Herzschlag aus dem Takt gerät, er deutlich schneller oder langsamer wird als er sein soll? Oft sind Herzstolpern oder Herzrasen die ersten Anzeichen für Herzrhythmusstörungen, die mit Schwindel, Übelkeit oder Ohnmacht einhergehen und schlimmstenfalls zum Schlaganfall oder plötzlichen Herztod führen können.

 ... auf diesem Bild hingegen wurde er mit Lachgas gefüllt und dadurch auf bis zu minus 60 Grad gefroren. Fotos: Felix Heyder / Herzzentrum Uniklinik Bonn

... auf diesem Bild hingegen wurde er mit Lachgas gefüllt und dadurch auf bis zu minus 60 Grad gefroren. Fotos: Felix Heyder / Herzzentrum Uniklinik Bonn

Die häufigste Herzrhythmusstörung ist das Vorhofflimmern, bei dem das Herz völlig unregelmäßig und zumeist viel zu schnell schlägt (mit bis zu 150 bis 180 Schlägen in der Minute). Alleine in Deutschland sind rund 1,8 Millionen Menschen davon betroffen.

Das Herzzentrum des Uniklinikums Bonn (UKB) behandelt jährlich mehr als 2000 Patienten mit dieser Form der Herzrhythmusstörung und darf sich seit Kurzem „Zertifiziertes Vorhofflimmer-Zentrum“ nennen. Es ist damit nun eines von 40 Zentren deutschlandweit und das einzige zwischen Köln und Wiesbaden.

Wenn die Ärzte durch Voruntersuchungen bei den Patienten ein fortgeschrittenes Vorhofflimmern feststellen, das sie nicht mehr mit Medikamenten behandeln können, wählen sie als Therapie meist die Verödung (auch „Ablation“ genannt) der betroffenen Stellen im Herzen per Katheter. Bei dem minimal-invasiven Eingriff schiebt der Operateur einen dünnen Katheter durch die Leiste bis zum Herzen und verödet das Gewebe, das zuvor als Ausgangspunkt für die Herzrhythmusstörungen identifiziert wurde.

Im Herzen des Patienten ist es während der OP fast 100 Grad kälter als außerhalb der Klinik

„Elektrische Erregungen, die den Herzrhythmus stören und das Vorhofflimmern auslösen, werden wirkungsvoll unterbunden, damit das Herz wieder im richtigen Takt schlagen kann“, erklärt dazu Dr. Thomas Beiert, Oberarzt im Herzzentrum.

Bei der Behandlung können die Ärzte die betroffenen Stellen entweder mit Hitze (mit der sogenannten Hochfrequenzablation) oder mit Kälte (Kryoablation) veröden. Bei letzterer Variante ist die Spitze des Katheters tatsächlich 90 Grad kälter als die reale Außentemperatur der vergangenen Tage.

Bei der Kryoablation entfaltet das OP-Team im Herzen des Patienten einen kleinen Ballon, der mithilfe von Lachgas auf bis zu minus 60 Grad gefroren wird. „Dadurch vereist die Oberfläche des Ballons, und wir können das Gewebe, das für die Herzrhythmusstörungen verantwortlich ist, veröden“, beschreibt Professor Jan Schrickel vom Herzzentrum das Vorgehen bei dem etwa 45- bis 60-minütigen Eingriff. Die Ärzte des Herzzentrums führen ihn mehrmals in der Woche durch.

Die Erfolgsquote der Ablations-Methoden beträgt laut Herzzentrum nach einem Jahr etwa 70 bis 80 Prozent. Eine erfolgreiche Beseitigung des Vorhofflimmerns bedeute für die Patienten einen großen Gewinn an Lebensqualität, nicht nur weil die langfristige Einnahme von Rhythmus-Medikamenten vermieden werden könne, meint Oberarzt Beiert. „Auch die mit der Rhythmusstörung einhergehende Leistungsschwäche und Luftnot können deutlich gesenkt werden“, sagt der Experte.

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