Universität Bonn Buch beleuchtet Geschichte der Frauen an der Uni

Bonn · Der lange Marsch zur Emanzipation: Ein Buch zum 200. Geburtstag der Universität Bonn beleuchtet die Geschichte der Frauen an der Alma mater.

„Es sind genügend Studentinnen bereits da“, verkündete 1948 der Bonner Philosophieprofessor Erich Rothacker. Nicht ohne die jungen Frauen süffisant als „die hübschen, häuslichen usw., die im allgemeinen bald weggeheiratet werden“ zu beschreiben. Diese Fräuleins müssten laut Rothacker „eigentlich höhere Gebühren bezahlen, da die für sie veranschlagten Staatsgelder verschleudert sind“! Und der Herr Professor geiferte weiter: „Viel zu viele Studentinnen machen nur darum das Abitur und studieren, weil das heute Mode ist.“

Schier unglaublich erscheint heute, dass Verunglimpfungen wie diese noch vor nur 60 Jahren wohl auch Schenkelklopfen in Akademikerkreisen bewirkt haben werden. Oder sollte man sich eher wundern, dass sie heute in bestimmten Kreisen wieder in Mode gekommen sind?

1948, also 40 Jahre nach der Öffnung preußischer Universitäten für das Frauenstudium, wurden auf jeden Fall Vorurteile über die Geisteskraft und die wissenschaftliche Neugier von Frauen locker aus der Hüfte geschossen, wie es der neu erschienene Band 9 der Bonner Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte anschaulich zeigt. Unter dem Titel „Doch plötzlich jetzt emanzipiert will Wissenschaft sie treiben“ ist der Band zum 200-jährigen Bestehen der Bonner Uni in Herausgeberschaft dreier Bonner Frauen erschienen: der früheren Gleichstellungsbeauftragten der Universität, Ursula Mättig, der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Ines Neffgen sowie der Professorin Andrea Stieldorf vom Institut für Geschichtswissenschaft.

Die Emanzipierten unter den Frauen hatten sich also aufgemacht, nicht nur die Hörsäle zu bevölkern, was Professor Rothacker noch 1948 ein gewaltiger Dorn im Auge war, sondern sie wollten auch beruflich weiter in die Fakultäten drängen. Der Band mit seinem Strauß an Beiträgen über ganz unterschiedliche Einsatzgebiete von Frauen, die von 1818 bis 2018 mit der Bonner Uni verbunden waren und sind, erzählt anschaulich davon. In den ersten 100 Uni-Jahren spielten Frauen auf den ersten Blick keine Rolle. Ihnen war weder ein Studium noch die Ausübung von Lehre oder Forschung erlaubt.

Fündig wurden die Autorinnen und Autoren des Buchs in dieser Periode dennoch. Frauen übernahmen auch schon im 19. Jahrhundert kulturelle und soziale Aufgaben. Das galt insbesondere für die Gattinnen der Professoren – ein bislang weitgehend unbearbeitetes Forschungsfeld. Im Ernst-Moritz-Arndt-Haus ist das derweil bis zum 31. März 2019 ja auch Thema einer Ausstellung.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts öffnete sich die Universität Bonn auch für Studentinnen und für weibliches Personal. Doch auch später gab es noch manches Hindernis zu überwinden, wie der Sammelband herausarbeitet. Erst die neue Frauenbewegung Ende der 1960er Jahre habe auch in Bonn einen Wandel bewirkt, der in der Institutionalisierung von Frauenforschung, Frauenpolitik und -förderung gemündet sei und der bis heute andauere. „Gegen viele Widerstände und auch Gespött wurde vieles erreicht. Verschriftlicht fand sich hier und da in den Archiven etwas: Erstmals wurde dies nun aufgearbeitet“, erläutert Mättig, auf deren Initiative das Projekt zurückgeht.

Möglich sei es auch durch einen Perspektivwechsel geworden, fügt Professorin Stieldorf hinzu. „Wir haben die Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte weiter aufgefasst, indem wir auch die Lebenswelt von Wissenschaftlern untersucht, also ihre Familien, und damit auch Mütter, Frauen und Töchter in den Blick genommen haben.“ All diese Facetten fügten sich in dem Band nun ein in das sehr breit angelegte Konzept einer Wissensgeschichte. Und über die hätte auch ein Professor Rothacker (er lebte noch bis 1965) sicher nicht schlecht gestaunt.

Das Buch Andrea Stieldorf, Ursula Mättig, Ines Neffgen (Hgg.): „Doch plötzlich jetzt emanzipiert will Wissenschaft sie treiben.“ Frauen an der Universität Bonn (1818-2018). Verlag V&R unipress, 270 S., 30 Euro

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