Bonner Institut erforscht Fadenwürmer Caesar forscht zu „Selbsterkennung und Kannibalismus“

Bonn · Eine neue Gruppe am Bonner Forschungszentrum Caesar untersucht „Selbsterkennung und Kannibalismus“ bei Fadenwürmern. Die winzigen Räuber verschlingen ihre eigenen Artgenossen – verschonen aber den Nachwuchs. Der Neurologe James Lightfoot will herausfinden, was dahinter steckt.

 Winziger Räuber unter dem Mikroskop: Der Fadenwurm Pristionchus pacificus frisst die Larve eines Artgenossen.

Winziger Räuber unter dem Mikroskop: Der Fadenwurm Pristionchus pacificus frisst die Larve eines Artgenossen.

Foto: Max-Planck-Institut/Jürger Berger

Es gibt auf dieser Welt zahlreiche Lebewesen, die, wenn einmal hungrig, alles fressen, was ihnen in die Quere kommt. Dabei kommt es vor, dass selbst die eigenen Artgenossen verspeist werden. Das gilt etwa für den winzigen Fadenwurm namens Pristionchus pacificus (P. pacificus). Das Tier misst nur knapp einen Millimeter, ernährt sich von Bakterien – und den Larven anderer Fadenwürmer. Allerdings: Handelt es sich um seine Nachkommen, hält der P. pacificus inne. Die eigene Brut? Wird verschont.

Doch wie schafft es ein so simpler Organismus, dessen Gehirn über etwa 300 Neuronen verfügt (zum Vergleich: das menschliche Gehirn weist schätzungsweise 86 Milliarden Nervenzellen auf, manche Experten gehen gar von einer Billion aus), seine eigenen Nachkommen von anderen Fadenwürmern zu unterscheiden? Dieser Frage widmet sich der Neurobiologe James Lightfoot seit Kurzem am Bonner Forschungszentrum Caesar. Die neue Forschungsgruppe trägt den Namen „Selbst­erkennung und Kannibalismus“.

Gerade die Selbsterkennung spielt in der Wissenschaft eine wichtige Rolle. „Sie ist in der gesamten natürlichen Welt allgegenwärtig“, erklärt Lightfoot. Etwa bei der Immun­antwort auf Krankheitserreger, aber auch bei Verhaltensprozessen, die Konkurrenz oder Kooperation zwischen Lebewesen steuern. „Doch trotz der Häufigkeit und Vielfalt von Selbsterkennungssystemen in der Natur wissen wir erstaunlich wenig über die Mechanismen, die hinter diesen Aktionen stehen“, so der Neurobiologe. Das will die neue Forschungsgruppe nun ändern.

Wie funktioniert die Selbsterkennung beim Fadenwurm?

Der aus England stammende Lightfoot kann dabei auf Erfahrungen zurückgreifen, die er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen gesammelt hat. Dort erforschte er den P. pacificus bereits unter der Leitung von Professor Ralf Sommer. So stellten die Wissenschaftler etwa fest, dass der Fadenwurm seine Brut mithilfe eines Peptids auf der Körperoberfläche erkennen kann.

 Der Neurologe James Lightfoot arbeitet am Bonner Forschungszentrum Caesar.

Der Neurologe James Lightfoot arbeitet am Bonner Forschungszentrum Caesar.

Foto: caesar

In Bonn geht diese Forschung nun einen Schritt weiter: „Wir werden versuchen, die spezifischen Signale zu identifizieren, die beim P. pacificus das »Selbst« anzeigen, die Rezeptoren, die diese Informationen aufnehmen, und die Schaltkreise, die diese Nachrichten verarbeiten“, sagt der 37-Jährige. Letztendlich werde dies Aufschluss darüber geben, wie die Selbsterkennung des winzigen Räubers funktioniert. Das wiederum könne ein besseres Verständnis dieser Systeme in einem umfassenderen Kontext geben, denn: Fadenwürmer und Menschen hatten vor mehr als 600 Millionen Jahren einen gemeinsamen Vorfahren. Auch deshalb eignen sie sich besonders für Forschungsprojekte, etwa in der Entwicklungs- oder Neurobiologie.

Das Selbsterkennungssystem des P. pacificus wurde indessen bislang bei keiner anderen Art des Fadenwurms beobachtet. Lightfoot freut es besonders, dass er das allzu räuberische Tier (das übrigens in jedem Ökosystem von den Tropen über die Polarkreise bis hin zum heimischen Garten zu finden ist) nun gerade in Bonn erforschen kann. „Bei Caesar freue ich mich auf die außergewöhnliche neurobiologische Expertise der Kolleginnen und Kollegen und die hervorragende technische Ausstattung“, sagt der Neurologe. „Beides können wir für die Erforschung des Selbsterkennungssystems gut nutzen.“

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