Ringvorlesung „Lust auf Wald“, Teil 5 Das Fichtensterben ist nur ein Vorgeschmack
Bonn · Der Biologe Jens Mutke vom Nees-Institut der Universität Bonn referiert über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Wälder. Dabei hat er besonders das Spannungsfeld zwischen Nutzung und Naturschutz im Blick.
Um die Geschichte, Gegenwart und Zukunft der deutschen Wälder im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie geht es am Montag, 7. November, beim fünften Teil der Ringvorlesung „Lust auf Wald“ der Alanus Hochschule. Referent ist diesmal der Biologe Dr. Jens Mutke vom Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Uni Bonn: Sein Vortrag behandelt „Ökosysteme zwischen Nutzung und Naturschutz“ und beginnt um 19 Uhr im Botanik-Hörsaal der Uni an der Nussallee 4 in Poppelsdorf.
Mutke will erläutern, welche Wälder wir jetzt in Deutschland haben; wie sie sich über die letzten Jahrhunderte durch die unterschiedliche Nutzung entwickelt haben; wie sie ohne Eingriffe des Menschen aussähen; wie sie sich mit Fortschreiten des Klimawandels entwickeln werden; und ob (und wie) sich der Schutz der Wälder und ihre Nutzung durch den Menschen künftig miteinander vereinbaren lassen.
„Ohne Einfluss des Menschen wäre Deutschland fast vollständig von Wald bedeckt“, so der Experte. Aber: „Schon seit dem Beginn der Landwirtschaft hat der Mensch auch im Rheinland die Landschaft und unsere Wälder verändert.“ Gängige Früher-war-alles-besser-Vorstellungen irren auch in Sachen Ökologie: Im 13. Jahrhundert besaß das Gebiet des heutigen Deutschland vermutlich die geringste Waldfläche aller Zeiten.
Aus Fichtenwäldern wurden Ansammlungen vertrockneter Zahnstocher
Wie der Klimawandel Aussehen und Artenbestand der deutschen Wälder verändern wird, ist noch unsicher. Sicher sei aber, dass „schon in den nächsten 20 bis 30 Jahren erhebliche Veränderungen unserer natürlichen Umwelt“ auf uns zukämen. „Nur ein Vorgeschmack“ sei dabei die von den vergangenen Glutsommern ausgelöste Borkenkäferplage, die aus vielen deutschen Fichtenwäldern großflächige Ansammlungen vertrockneter Zahnstocher gemacht hat. „Fichtenforste können wir im Rheinland getrost als Geschichte betrachten. Aber auch die Buche zeigt schon deutliche Trockenschäden.“ Immerhin hätten das Fichtensterben und die Waldbrände des vergangenen Sommers „vielen Menschen gezeigt, dass der Klimawandel nicht nur irgendwo weit weg stattfindet“.
Papierproduktion, Möbelindustrie, Weihnachtsbaumzucht: Die deutschen Wälder sind gerade in ländlichen Regionen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und sollen auch in Zukunft nicht zu Öko-Reservaten werden, so Mutke. „Große Teile können und sollten auch in Zukunft genutzt werden – schon damit wir nicht noch mehr zur Waldzerstörung in anderen Ländern beitragen.“ Dabei gelte es aber in Zukunft einiges zu beachten. „Wichtig ist zum Beispiel ein höherer Anteil von Totholz im Wald als Biotop für viele Pilz- und Tierarten.“
Obwohl das der bisherigen Forstwirtschaft entgegenstehe, müssten zudem die bislang weitverbreiteten Nadelbaum-Monokulturen zu Laubmischwäldern umgestaltet werden (weil die weniger anfällig gegen lange Trockenheit sind). Zumindest manche Wälder müssten aus der forstwirtschaftlichen Nutzung aber auch völlig herausfallen: „Wir brauchen tatsächlich auch nutzungsfreie Waldgebiete, in denen eine natürliche Walddynamik Lebensraum für viele seltene Arten bietet.“
Klar ist: Wenn der Mensch der Natur hilft, dann hilft sie auch ihm. „Wälder haben viel mehr Funktionen für uns als nur eine maximierte Holzernte. Intakte Waldflächen dämpfen etwa die Abflussspitzen bei Hochwasser und können dabei vor Erosion schützen.“ Zudem könnten intakte Wälder auch die Folgen des Klimawandels abmildern. Und die Corona-Pandemie habe gezeigt, welche Bedeutung sie auch „für die Naherholung und das seelische Wohlbefinden besitzen“.