Weltweit größte Fachgesellschaft Deutsche Physikalische Gesellschaft feiert 175. Geburtstag

Bonn/Bad Honnef · Die Deutsche Physikalische Gesellschaft feiert ihr 175-jähriges Bestehen – und kümmert sich auch um die Zukunft. Der Präsident der Gesellschaft, Professor Dieter Meschede betont, wie wichtig die europäische Zusammenarbeit ist.

 Physik früher: Die Gründungsväter auf einer Daguerreotypie von 1845 sind hinten (von links) Gustav Karsten (1820-1900; Erster Vorsitzender), Emil du Bois-Reymond (1818-1896), Wilhelm von Beetz (1822-1886) und vorne (von links) Hermann Knoblauch (1820-1895), Wilhelm Heinrich Heintz (1817-1880), Ernst Wilhelm von Brücke (1819-1892).

Physik früher: Die Gründungsväter auf einer Daguerreotypie von 1845 sind hinten (von links) Gustav Karsten (1820-1900; Erster Vorsitzender), Emil du Bois-Reymond (1818-1896), Wilhelm von Beetz (1822-1886) und vorne (von links) Hermann Knoblauch (1820-1895), Wilhelm Heinrich Heintz (1817-1880), Ernst Wilhelm von Brücke (1819-1892).

Foto: DPG

Genau 175 Jahre ist es her, dass sich sechs junge Wissenschaftler zusammentaten, um die „Physikalische Gesellschaft zu Berlin“ zu gründen, also die heutige Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG). Die Physiker Gustav Karsten, Karl-Hermann Knoblauch und Wilhelm von Beetz waren dabei und forschten über Probleme der Elektrophysik und Wärmestrahlung. Dazu kamen die Mediziner und Physiologen Emil du Bois-Reymond und Ernst Wilhelm Brucke, die sich auf die Anwendung physikalischer Erkenntnisse auf Lebensprozesse konzentrierten.

Schließlich gehörte auch der Chemiker Wilhelm Heinrich Heintz (der ansonsten organische Stoffe wie Milch- und Zuckersäure sowie Harnstoff untersuchte) zu den Gründern. Die Physik war also unter den Gründern bewusst weit gefasst. „Die gemeinsame Begeisterung für die damals anstehende naturwissenschaftliche Erforschung aller Lebensprozesse“ sei prägend gewesen, bewertet es die Festchronik der DPG.

Fachgesellschaft mit 55 000 Mitgliedern

Ob die sechs aufstrebenden Jungtalente aus dem Kolloquium der Koryphäe Gustav Magnus damals ahnten, dass sie den Grundstein für die heute mit 55 000 Mitgliedern weltweit größte physikalische Fachgesellschaft gelegt hatten? Eine Daguerreotypie, also eine sehr frühe Form der Fotografie, hat den Moment festgehalten, als die damals rund 25-Jährigen am 14. Juni 1845 an der Berliner Kronenstraße den Gründungsakt fürs Foto nachstellten. Hausherr Karsten hielt dabei die Uhr konzentriert in der Hand, um die sehr lange Belichtungszeit überwachen und den Kollegen den Einsatz geben zu können.

50 Jahre später sollte das Bild zum ersten großen Jubiläum gezeigt werden. Und Mitgründer du Bois-Reymond ließ sich sogar zu einem Gedicht hinreißen: „Schaut hin nach Berlin in die Straße der Kronen / Dort soll ein Herr Doktor Karsten wohnen“, reimte er. „Eine Weinlaubwand liegt im Sonnenschein / Davor ist versammelt ein kleiner Verein / Der treibt Physik und experimentiert / Im Wunderspiegel ist‘s fotografiert.“

Die Original-Daguerreotypie der Experimentierfreudigen (großes Bild) ist nun zum 175-Jährigen von der DPG erworben worden und steht bei den Feierlichkeiten für die Anfänge. Vom Sitz der Gesellschaft in Bad Honnef und der Berliner Repräsentanz aus haben der derzeitige DPG-Präsident, der Bonner Physikprofessor Dieter Meschede, und sein Team nun ein reiches Festprogramm auf die Beine gestellt (siehe Kasten).

Professor Meschede selbst nennt auf die Frage nach wichtigen Entwicklungsschritten ab 1945 die Wiedergründung als Regionalgesellschaften und ab 1950 die erste „Wiedervereinigung“. Zunächst hätten die Alliierten nämlich keine gesamtdeutsche Gesellschaft gewollt. Ab 1980 habe die Transformation vom „Gelehrtenzirkel“ zu einer offenen Gesellschaft für alle Physik-Interessierten stattgefunden und 1990 die Wiedervereinigung der Fachgesellschaften der Bundesrepublik und der DDR. Und seit 2000 stiegen die Mitgliederzahlen durch aktive Werbung unter Schülern stark an, und das vor allem dank des Abitur-Programms und der Tagungsbeihilfen der Wilhelm-und-Else-Heraeus-Stiftung, führt der Präsident aus.

Die DPG habe sich seit 2000 vermutlich als eine der ersten Fachgesellschaften intensiv mit ihrer Vergangenheit in der Nazi-Diktatur auseinandergesetzt, erklärt er auf GA-Nachfrage. „Die Physiker waren einerseits mit dem Regime technologisch und einige auch ideologisch verstrickt, andererseits waren mehrere der herausragendsten Köpfe zur Emigration gezwungen“, verweist Meschede etwa auf Albert Einstein und Max Born. Wirklich abgeschlossen sei die Aufarbeitung aber wohl noch nicht.

Junge Generation weiter ansprechen

Und wo will die DPG hin? „Sie will insbesondere die junge Generation weiter intensiv ansprechen, um für die wichtige MINT-Bildung ein Zeichen für die Zukunft zu setzen“, antwortet Meschede. Gleichzeitig nehme die DPG eine wichtige Rolle bei der Zusammenarbeit mit vor allem europäischen Schwester-Gesellschaften wahr. Der Präsident verweist dabei besonders auf die gesellschaftspolitische Verantwortung des Verbunds. Das Jubiläumsmotto zum 175sten laute „Physik in der und für die Gesellschaft“. Und das bei vier Quartalsthemen: Physik als Naturerkenntnis, Physik und Bildung, Physik und Information sowie Klima und Energie. „Das zeigt, dass wir am Puls der Zeit aus wissenschaftlicher Perspektive handeln“, betont Meschede.

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