Forschung als Ergebnis des Ost-West-Konflikts Die Ausgrabung einer antiken Stadt

BONN · Die Schifffahrtsroute von China durch den Indischen Ozean und das Mittelmeer nach Europa ist heute einer der meistbefahrenen Seewege weltweit. Doch das ist keine Entwicklung der globalisierten Welt. Schon in der Antike waren Gewürze, Parfüm, Stoffe, Elfenbein und Edelsteine aus dem Fernen Osten in Griechenland und Rom begehrt.

 Abstieg in die Geschichte: Ein Forscher der Bonner „Kommission für die Archäologie Außereuropäischer Kulturen“ (KAAK) gräbt den 13 Meter tiefen Brunnen in Karabalgasun aus, der frühuigurischen Hauptstadt im mongolischen Orchon-Tal. FOTO: HENDRIK ROHLAND

Abstieg in die Geschichte: Ein Forscher der Bonner „Kommission für die Archäologie Außereuropäischer Kulturen“ (KAAK) gräbt den 13 Meter tiefen Brunnen in Karabalgasun aus, der frühuigurischen Hauptstadt im mongolischen Orchon-Tal. FOTO: HENDRIK ROHLAND

Foto: Hendrik Rohland

Und die wurden nicht nur über die legendäre Seidenstraße transportiert. Belege dafür finden sich nicht nur in wenigen antiken Quellen, sondern auch in situ, also unter der Erde.

Die Archäologen Hans-Joachim Weisshaar und Heidrun Schenk haben in jahrelanger Arbeit das antike Mahagama ausgegraben, die Hauptstadt des Königreichs Ruhuna im Süden Sri Lankas – im Auftrag der in Bonn ansässigen „Kommission für die Archäologie Außereuropäischer Kulturen“ (KAAK).

Bei ihren Grabungen stießen die Forscher auf Feinkeramik, die eindeutig aus der Gangesebene in Nordindien stammte. Solche Gebrauchsgefäße waren aber über rund 300 Jahre um die Zeitenwende von Indien bis Südarabien verbreitet. Seefahrer müssen in ihnen mit dem Sommermonsun Handelsgüter verschifft haben.

In dem langjährigen Projekt konnten Weisshaar und Schenk nicht nur die Entwicklung der Stadt als Handelsknotenpunkt im Seeverkehr vom vierten Jahrhundert vor bis ins sechste Jahrhundert nach Christus nachvollziehen, sondern auch die vorgefundene Keramik zeitlich einordnen.

„Diese Arbeit, die Heidrun Schenk im Ruhestand ehrenamtlich abschließt, wird die Geschichtsschreibung ganz Südostasiens deutlich verändern“, erklärt Dr. Andreas Reinecke von der KAAK. Damit ist sie ein schönes Beispiel für die weltweiten Erfolge der Bonner Institution, die in diesem Jahr bereits auf eine 40-jährige Geschichte zurückblickt.

Gegründet wurde die KAAK, die zugleich ein Forschungsinstitut ist, 1979 mehr unter politischen als wissenschaftlichen Vorzeichen. Nachdem die Bundesrepublik ein Jahrzehnt zuvor ihren Widerstand dagegen aufgegeben hatte, dass andere Staaten diplomatische Beziehungen zur DDR begründeten, war ein Konkurrenzverhältnis zwischen Ost und West entstanden.

„Gerade auf kulturellem Gebiet konnten Archäologen mit Fachkompetenz bei der Rettung und Erforschung von Kulturgütern helfen“, berichtet Reinecke. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer hätten solche Hilfen und entsprechende Fördergelder als Teil von Kulturabkommen gefordert.

Um einen zentralen Ansprechpartner dafür zu haben, regte Staatssekretär Peter Hermes im Auswärtigen Amt damals die Gründung der Kommission an, die dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) zugeordnet wurde. Weil sie rechtlich aber eine Abteilung des Auswärtigen Amtes war, wurde sie in Bonn angesiedelt – zunächst in Endenich, 2006 dann in einer Bürgervilla in Bad Godesberg.

„Heute sind wir froh, dass wir als eine von wenigen Gliederungen des Auswärtigen Amtes in Bonn geblieben sind“, sagt Reinecke. Die rund 15 Mitarbeiter sind eng in die hiesige Forschungslandschaft integriert. Mit der Universität Bonn, dem LVR-Museum des Landschaftsverbands Rheinland und dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig bestehen enge Kooperationen.

„Im Mittelpunkt unserer Forschung steht die Rekonstruktion komplexer Mensch-Umwelt-Beziehungen“, schreibt Kommissions-Direktor Professor Burkhard Vogt in der Festschrift „Ergrabene Welten“, die zum Jubiläum erschienen ist. Und das heißt: „die unterschiedlichsten Formen der Anpassung, wie Menschen unter den gegebenen naturräumlichen Rahmenbedingungen ihre Umwelt in Kulturlandschaften verwandelten und wie umgekehrt die Umwelt Einfluss nahm auf kulturelle Entwicklungen. In diesem Zusammenhang interessiert auch die Nutzung vorhandener Ressourcen in ihrem weitesten Sinn.“

Derzeit arbeiten die Forscherinnen und Forscher der KAAK in 15 Ländern auf allen vier außereuropäischen Kontinenten. In den beiden Amerikas sind es Honduras, Ecuador, Peru, Bolivien und Brasilien, in Afrika die Länder Marokko, Südafrika, Eswatini (früher „Swasiland“) und Mosambik. Ein Sonderfall ist das TransArea Network Africa (TANA), in dem unter organisatorischer Federführung der KAAK die mitunter seit langem laufenden Forschungen diverser DAI-Abteilungen und Kommissionen vernetzt werden.

Auf dem asiatischen Kontinent forschen Bonner Archäologen in China, Vietnam und Kambodscha und seit kürzerer Zeit sogar im pazifischen Raum auf den Salomonen und der Osterinsel. Besondere Bedeutung haben in Asien die Arbeiten in der Mongolei.

Zusammen mit dem Institut für Mongolistik der Uni Bonn und der Mongolischen Akademie der Wissenschaften untersucht Dr. Christina Franken seit 1998 die Entstehung der alten mongolischen Hauptstadt Karakorum im Tal des Flusses Orchon.

Wie viele andere Ausgrabungsstätten hat Karakorum im Land auch eine hohe symbolische Bedeutung, berichtet Franken. Immer wieder werde sogar überlegt, den Regierungssitz der Mongolei aus der jetzigen Hauptstadt Ulan Bator hierher zu verlegen. Um besser zu verstehen, wie die historische Metropole entstand, haben Franken und ihre Helfer unter anderem einen 13 Meter tiefen Brunnen ausgegraben, der das Steppenland einst mit Wasser versorgte.

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