Medizinische Fakultät Die Uni Bonn geht härter gegen Plagiate vor

BONN · Die Medizinische Fakultät entzieht einem Absolventen den Doktortitel. Gegen den Entzug des akademischen Namenszusatzes kann dieser jetzt noch vor Gericht ziehen.

 Plagiate sind auch in der Medizin keine Seltenheit.

Plagiate sind auch in der Medizin keine Seltenheit.

Foto: picture alliance / dpa

In der ersten Sitzung des laufenden Sommersemesters hat die Medizinische Fakultät der Universität Bonn vergangene Woche einem Arzt den Doktortitel wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens aberkannt. Ihm wird vorgeworfen, auf mehr als der Hälfte von knapp 70 Seiten seiner im Jahr 2010 eingereichten Dissertation heimlich von anderen Autoren abgeschrieben und mindestens eine Abbildung aus einer fremden Diplomarbeit irregulär übernommen zu haben.

Der Mediziner selbst stand dem General-Anzeiger nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung. Gegen den Entzug des akademischen Namenszusatzes kann er jetzt freilich vor Gericht ziehen. Tatsächlich aber muss kein Arzt auch Doktor sein, die Berufszulassung ist davon ganz unabhängig.

Bei mehr als 150 Promotionen im Jahr lässt sich Wissenschaftsbetrug anscheinend nicht völlig ausschließen. „Wir können letztlich nicht verhindern, dass es zu Plagiaten kommt“, sagt Professor Nicolas Wernert als Vorstand der Medizinischen Fakultät, „aber wir können deutlich machen, dass es dafür keine Toleranz gibt“.

Unter seinem Amtsvorgänger, der Bonn inzwischen verlassen hat, sah die Sache noch etwas anders aus. Zwar „bestätigte“ dieser „wortwörtliche Übernahmen“ längerer Textpassagen ohne Zitatnachweise, die zuerst auf der Internetplattform „Vroniplag Wiki“ dokumentiert worden waren; darin erkannte der damalige Dekan aber keine „vorsätzliche Täuschungsabsicht“ und mithin keinen Grund, den Doktorhut zurückzufordern. Als der GA darüber vor rund einem Jahr berichtete, zeigten sich jedoch viele Medizinprofessoren empört und setzten eine genauere Nachprüfung durch.

Eine gewisse Unverkrampftheit angesichts von Textplagiaten in medizinischen Prüfungsschriften war und ist keine Bonner Besonderheit. So schrieb der Vorsitzende der Promotionskommission an der Berliner Charité, Jörg-Wilhelm Oestmann, vergangenes Frühjahr in einem Fachblatt: „Noch vor kurzem war ich – seit fast 20 Jahren mit Promotionsverfahren vertraut – der Ansicht, Plagiate seien kein Problem in der Medizin, sozusagen: “Wir fälschen Daten, Abschreiben spielt bei uns keine Rolle.„ Die jüngste Entwicklung hat mich eines Besseren belehrt.“ So hat Vroniplag Wiki mittlerweile Dutzende plagiierte Doktorarbeiten in Berlin, Münster oder auch Hannover aufgedeckt, darunter die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die ihren Titel aber behielt.

Nach der zunächst nachsichtigen Entscheidung auch in Bonn hatte der Betroffene erklärt: „Die Angelegenheit hat sich damit für mich erledigt.“ Die jetzt erhobenen Vorwürfe gegen Text und Bild stellen aber insgesamt einen neuen juristischen Sachverhalt dar, durch den der Doktor im Streitfall schlechtere Karten hat als bislang.

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