Wie gut funktioniert das digitale Lernen? Vertonte Vorlesungen kommen an

Bonn · An der Uni Bonn läuft die Lehre derzeit nur online. Die Studenten haben dabei gemischte Gefühle

 Professor Gerhard von der Emde (oben rechts) hält eine digitale Vorlesung zur Tierphysiologie (Screenshot). Die Studenten sind von zu Hause aus zugeschaltet.

Professor Gerhard von der Emde (oben rechts) hält eine digitale Vorlesung zur Tierphysiologie (Screenshot). Die Studenten sind von zu Hause aus zugeschaltet.

Foto: Liyang Zhao

„Hallo zusammen“, sagt Gerhard von der Emde in die Kamera. „Ich denke, es sind jetzt alle online. Dann können wir starten.“ Von der Emde ist Biologie-Professor an der Uni Bonn. Sein Bild verschwindet, stattdessen erscheint eine PowerPoint-Präsentation.

„Ich habe jetzt meinen Bildschirm freigegeben. Können Sie ihn sehen?“, fragt von der Emde. Zustimmendes Gemurmel ertönt aus den Wohnzimmern der Studenten.

So sieht eine digitale Vorlesung in Zeiten von Covid-19 aus. „Wir haben relativ kurzfristig von der Umstellung erfahren und hatten nur zwei bis drei Wochen Zeit, um die Kurse vorzubereiten“, erklärt der Professor.

Seit der Semesterstart wegen der Pandemie vom 6. auf den 20. April verschoben wurde, läuft die Bonner Uni-Lehre nur noch online. Es ist das erste digitale Semester in der 202-jährigen Geschichte der Uni.

Für die Uni ist es das erste
digitale Semester in 202 Jahren

Dafür nutzt die Hochschule hauptsächlich die Online-Plattform „eCampus“. Dort stellten viele Dozenten ihren Studenten auch schon in den regulären Semestern Lernmaterial zur Verfügung. Seit Beginn der Pandemie hat der e- aber den „echten“ Campus ersetzt. Live-Veranstaltungen finden zusätzlich über das Videokonferenz-System „Zoom“ statt.

Auch wenn es ab und zu Probleme mit der Internetverbindung gibt und eCampus in den ersten Tagen stark überlastet war, sind sich viele Studenten einig, dass zumindest technisch alles gut läuft.

Probleme gibt es aber bei Modulen, die praktische Elemente enthalten. Das betrifft besonders die Naturwissenschaften. Exkursionen können gar nicht mehr stattfinden, und Labor-Versuche werden nun nach Hause versetzt. Das ist nicht immer einfach.

Viele Versuche funktionieren zu Hause nicht:
Dort fehlen Geräte und Präparate

Die Biologie-Studentin Sabriye nimmt im laufenden Semester am Modul Tierphysiologie teil. Normalerweise wäre sie dafür zweimal pro Woche im Labor. Für einen Versuch zu Hause nahm Sabriye kurzerhand ihren Freund als Versuchsperson: „Wir brauchten viele Materialien. Die haben wir uns dann zusammen gesucht“, erzählt sie. „Unter anderem einen Zirkel von der Familie, und bei Nachbarn haben wir eine Borste aus ihrem Besen bekommen.“ Viele Versuche funktionieren zu Hause aber nicht: Dort fehlen Geräte und Präparate.

In den Geisteswissenschaften gibt es dieses Problem seltener. Trotzdem haben die Studenten auch da den Eindruck, der Arbeitsaufwand sei sehr viel höher als sonst. Viele Dozenten kompensierten die schwer nachprüfbare Anwesenheitspflicht durch aufwendigere Aufgabenstellungen. So gibt es nun mehr Lektüren und befristete Abgaben.

„Klar, wir sind zu Hause“, sagt Englisch-Student Patrick. „Aber das bedeutet nicht, dass ich Zeit habe, jede Woche ein halbes Buch zu lesen.“ Andere Studenten finden gerade die regelmäßigen Fristen hilfreich: „Durch den Zeitdruck bin ich produktiver“, meint Lotta. Sie studiert Geschichte im zweiten Semester.

Sie findet auch die vertonten Vorlesungen hilfreich, die einige Dozenten auf eCampus laden. Diese kann sie sich mehrmals anhören, wenn sie etwas nicht gleich verstanden hat. Allerdings steht sie noch am Anfang ihres Studiums: „Ich mache mir Sorgen, dass die Kontakte, die ich im ersten Semester zu Kommilitonen aufgebaut habe, durch die Isolation wieder verloren gehen“, sagt Lotta.

„Wir wissen nicht, wann und wie
unsere Prüfungen stattfinden“

Die größte Sorge sind allerdings die Abschlussprüfungen. Klausuren werden bis auf Weiteres verschoben. „Wir wissen nicht, wann und wie unsere Prüfungen stattfinden. Deshalb können wir uns nur schwer auf sie vorbereiten“, sagt Politik-Student Fabian.

Die Hauptbibliothek der Uni an der Adenauerallee und die Abteilungsbibliothek an der Nussallee sind seit dem 11. Mai zwar wieder zur Entleihe geöffnet; wer es nicht mehr geschafft hat, sich vor der Schließung dort Bücher zu holen, kann aber dennoch Probleme haben, seine Arbeit fertigzustellen.

Wie Jenny etwa, die zurzeit an ihrer Bachelorarbeit sitzt: Drei Bücher hat sie nun schon aus eigener Tasche gekauft. Immerhin: Unter anderem wegen solcher Probleme wurden die Abgabefristen für Haus- und Abschlussarbeiten um zwei Monate verlängert.

Trotz aller Schwierigkeiten hat das digitale Semester aber auch positive Seiten: Einige Studenten hoffen, dass das Studium auch nach der Pandemie digitaler wird. Besonders die Vorlesungen mit Tonspur stehen dabei weit oben auf der Wunschliste. Auch Lehrende sehen eine Chance für die Zukunft: „Wir könnten uns vorstellen, auch zukünftig Zoom-Konferenzen zu nutzen und Abgaben über eCampus zu ermöglichen“, sagt von der Emde.

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