GA-Interview Hochschule Bonn-Rhein-Sieg will bei KI aufholen

Mit der Podiumsdiskussion am Montag, 24. September, „Mit Algorithmus in den Abgrund?“ steigt die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg ins Thema Künstliche Intelligenz ein. Präsident Hartmut Ihne im GA-Interview.

 Bei der Diskussion um Künstliche Intelligenz sieht Hochschulpräsident Hartmut Ihne eine große Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft.

Bei der Diskussion um Künstliche Intelligenz sieht Hochschulpräsident Hartmut Ihne eine große Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft.

Foto: Michael Flacke

Warum setzen Sie jetzt die Künstliche Intelligenz auf die Agenda Ihrer Hochschule?

Hartmut Ihne: Was dieses Thema betrifft, haben wir einen enormen Nachholbedarf. Die Digitalisierung führt zu einem Zivilisations-umbruch, das ganze Selbstverständnis der Gesellschaft ändert sich. Durch sie ist ein neuer Kontinent im Entstehen.

Was heißt „ein neuer Kontinent“?

Ihne: Damit meine ich drei Punkte, die diesen neuen Kontinent ausmachen: Wir wohnen anders als noch vor wenigen Jahren, wir arbeiten anders, und unsere Infrastruktur hat sich durch die Digitalisierung auch geändert.

Können Sie das neue Wohnen konkretisieren?

Ihne: Die neuen Wohnungen vieler Menschen heißen Facebook oder Instagram. Statt in Räumen oder auf öffentlichen Plätzen wird nun eher über die sozialen Netzwerke kommuniziert. Im Zimmer eines 20-Jährigen findet man heute weit weniger Informationen über ihn als in eben jenen sozialen Netzwerken. Auf diese Weise fangen wir an, digital zu wohnen.

Der Untertitel Ihrer Veranstaltung lautet „Warum wir über eine Ethik der Künstlichen Intelligenz reden müssen“. Sehen Sie die Chancen oder die Risiken der Digitalisierung im Vordergrund?

Ihne: Ich sehe beides. Das autonome Fahren bietet ganz klar Chancen. Autos, die über Funksignale miteinander vernetzt sind, können zur Stauvermeidung beitragen oder auch von Menschen ohne Führerschein, besonders im Alter, genutzt werden. Auch in der Wissenschaft wird sich Vieles verändern. Medizinische Forschungen zum Beispiel, die auf viel mehr Daten als heute zugreifen und diese auswerten könnten, könnten zum Durchbruch gegen bisher unheilbare Krankheiten führen.

Und die Risiken?

Ihne: Es besteht das Risiko, dass Systeme aufgebaut werden, die für den Menschen nicht mehr steuerbar sind. Da geht es etwa im Militärischen um sich selbst steuernde Kampfroboter, die über Leben und Tod entscheiden. Eine komplett vernetzte Versorgungsinfrastruktur bei Wasser, Energie, Kommunikation und Bankenwesen ist sehr verletzlich für Hackerattacken und auch für einen Zusammenbruch mit katastrophalen Folgen. Und Finanzmärkte, vor allem Speed Trading, deren Deals nur noch von Algorithmen gesteuert werden, sind heute schon nicht mehr wirklich nachvollziehbar und beherrschbar. Irgendwann stellt sich dann die Frage, wer eigentlich die Finanzmarktprodukte verkauft, wer das Rechtssubjekt hinter einer Transaktion ist. Das alles hat massive Auswirkungen auf die Volkswirtschaften.

Welche kritischen Punkte sehen Sie noch?

Ihne: Schwierig wird es, beziehungsweise ist es, auch im Bereich der Kommunikation. Die Suchmaschinen und Plattformen im Netz haben Einfluss darauf, welche Informationen die Menschen überhaupt erreichen, und letztlich auch darauf, was sie denken. Das sehen Sie gerade an der Politik. Die Menschen sind bei ihren Vorstellungen von Politik vollständig abhängig von Medien. Das bietet viel Raum für Manipulation. All das führt zu der ethischen Frage: Was wollen wir in Bezug auf Künstliche Intelligenz zulassen, und worauf verzichten wir?

An dem Punkt kommt Ihre Hochschule ins Spiel.

Ihne: Ja, unsere Podiumsdiskussion soll den Auftakt bilden zu weiteren Veranstaltungen über Künstliche Intelligenz. Das sehen wir als Verantwortung der Wissenschaft gegenüber der Gesellschaft. Wir wollen darüber diskutieren, wie unser digitaler Kontinent aussehen soll und wie wir den Zivilisationsbruch oder die eintretenden massiven Veränderungen unserer Lebens-, Arbeits- und Produktionswelt gestalten können. Manchmal habe ich Angst, dass wir die Geschwindigkeit, mit der wir digitalisieren, nicht aushalten werden.

Was kann die Hochschule hier konkret leisten?

Ihne: Mit unserem neuen Zentrum für Ethik und Verantwortung (ZEV, siehe auch größerer Kasten, links unten, Anm. der Redaktion) wollen wir dazu beitragen, die globale Komplexität, die keiner wirklich versteht, zu analysieren. Denn dazu ist Wissenschaft auch da: Uns die Dinge so zu erklären, dass wir sie verstehen. Sie wird ja schließlich vom Steuerzahler finanziert. Teil des ZEV ist das Forum Verantwortung, in dem auch die Podiumsdiskussion stattfindet. Das Forum ist ein offenes Format und will allen, die interessiert sind, die Möglichkeit geben, gemeinsam über Gegenwarts- und Zukunftsfragen nachzudenken.

Die Podiumsdiskussion „Mit Algorithmus in den Abgrund?“ beginnt am Montag, 24. September, um 16.30 Uhr im Audimax der Hochschule, Campus Sankt Augustin, Grantham-Allee 20.

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