Universität Bonn Lehrende dringend gesucht

BONN · Im Nordamerikastudienprogramm fallen Veranstaltungen aus. Das liegt auch dran, dass es für Universitäten schwierig wird, sich wissenschaftlichen Nachwuchs zu sichern. Die Bonner Studenten sind verärgert.

 Hörsaal und Tafel sind leer (Symbolbild): An der Uni Bonn kann derzeit nicht jeder Student so studieren, wie es vorgesehen war.

Hörsaal und Tafel sind leer (Symbolbild): An der Uni Bonn kann derzeit nicht jeder Student so studieren, wie es vorgesehen war.

Foto: picture alliance / dpa

Wenn Paul Mayer an seinen Stundenplan denkt, bereitet ihm vor allem der Freitag Bauchschmerzen. Eigentlich sollten da die drei Kurse seines Moduls Mikro-Ökonomie stattfinden. Wie zehn weitere Studierende wartet er bisher vergeblich darauf, dass die Lehrveranstaltungen starten.

Mayer, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist Student der North American Studies und hat sich auf den Bereich Ökonomie spezialisiert. „Sollten die Kurse nicht mehr stattfinden, würde mich das dazu zwingen, ein Jahr länger zu studieren.“ Normalerweise wird das Modul nämlich nur im Wintersemester angeboten.

Was steckt dahinter? Ein Einzelfall oder doch eher ein allgemeines Problem? In Deutschland ist es üblich, dass wissenschaftliche Mitarbeiter meist nur befristete Verträge bekommen und als Folge der daraus resultierenden häufigen Hochschulwechsel alle paar Jahre umziehen müssen. „Viele Dozenten, die sehr beliebt waren, haben keinen Folgevertrag bekommen“, klagt Mayer. Warum, darüber können er und seine Kommilitonen nur spekulieren.

„Seit der Einführung der Masterstudiengänge haben wir solche Probleme, unter anderem durch Stellenkürzungen“, sagt Professorin Sabine Sielke, die das Nordamerikastudienprogramm der Universität Bonn seit 2001 leitet. Vor allem Wirtschaftswissenschaftler seien schwer zu finden – da sie in anderen Jobs weitaus mehr verdienten. „Wir können die Lehre im Bereich Ökonomie zum Beispiel nur über zusätzliche, schlecht bezahlte Lehraufträge sichern.“

Professor Uwe Baumann, Geschäftsführender Direktor am Institut für Anglistik, Amerikanistik und Keltologie, sieht, was die finanziellen Mittel angeht, keine Probleme. „Es gibt an unserem Institut definitiv keine Probleme mit der Finanzierung.“ Um neue Stellen zu besetzen, gebe es allerdings genaue Vorschriften: „Es gibt Regeln und Regularien, die anzuwenden sind, wozu auch bestimmte Prinzipien der Gleichbehandlung et cetera zählen.“

In Konkurrenz mit der freien Wirtschaft ist es für Universitäten schwierig, sich wissenschaftlichen Nachwuchs zu sichern. „Oft sind die Umstände, unter denen gelehrt wird, nicht vertretbar und man nutzt die Menschen auch aus, weil sie sich auch Hoffnungen machen, dass ihr Vertrag verlängert wird“, sagt Sielke.

Wenn ein Großteil der Lehrenden an Universitäten nur auf wenige Jahre befristete Verträge erhält, stellt das auch die Institute vor Herausforderungen. „Ich hätte gerne mehr Planungssicherheit“, sagt Sielke. Sobald die Verträge der wissenschaftlichen Mitarbeiter gegen Ende eines Jahres auslaufen, muss sie sich um Nachfolger kümmern. „Jedes Jahr erhalten neue Studierende ihre Zulassung und wollen dann die nächsten zwei, drei Jahre hier ihren Master oder Bachelor absolvieren. Wir können aber gar nicht so lange im Voraus planen.“ Und: „Wer mehr Zeit hat, sich nach geeignetem Lehrpersonal umzuschauen, findet auch ganz andere Leute.“

Mayer, der immer noch nicht weiß, ob seine Kurse noch stattfinden werden, spürt gewissermaßen die Auswirkungen davon, wie Lehraufträge an deutschen Universitäten vergeben werden. Ob jemand und wer an der Situation schuld ist, lässt sich wegen der komplexen Einzelfälle meist nicht herausfinden.

In Mayers Fall ist die für Ökonomie zuständige Dozentin derzeit im Mutterschutz. Sie hätte aber ohnehin nur 2,66 Semesterwochenstunden gelehrt. Daher hätte die Uni zusätzliche Lehrbeauftragte einstellen müssen. „Ich habe bereits im August eine erfahrene und promovierte Lehrbeauftragte für das Modul gefunden, die bereit ist, die sechs Semesterwochenstunden, also alle drei Kurse, zu lehren“, sagt Sielke. Problem in diesem Fall: Die Fahrtkosten der Wissenschaftlerin, die vom Niederrhein kommt. „Für Lehrbeauftragte werden – seit mehreren Jahren – prinzipiell keine Reisekosten mehr bezahlt. Das mag man eventuell falsch finden, aber es ist so“, sagt Baumann.

Für Paul Mayer und seine Kommilitonen ist das ärgerlich. „Das Geld ist ja da. Es ist lächerlich, wenn sich um 1000 Euro gestritten wird“, sagt auch Sielke.

Einen Hoffnungsschimmer gibt Uni-Pressesprecher Andreas Archut. „Die Lehre kann im Sommersemester stattfinden.“ Das hieße zumindest, dass sich das Studium von Mayer und seinen Kommilitonen nicht unnötig verlängern würde.

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