Infekte haben Hochsaison Bonner Ärzte erläutern Krankheitswelle bei Kindern
Bonn · Infekte haben bei Kindern jetzt Hochsaison. In Bonner Praxen und Kliniken können fast alle ambulant versorgt werden. Zum Frühjahr hin ebbt die Welle wieder ab. Hier ein Überblick für Eltern.
Eltern kennen das: Das Fieberthermometer liegt griffbereit und die Nummer der Kita auch, um Sohn oder Tochter krank zu melden. Mal wieder, in der Saison der triefenden Nasen, glasigen Augen und grassierenden Magen-Darm-Infekte. Der Eindruck täuscht keineswegs – tatsächlich verzeichnen niedergelassene Kinder- und Jugendärzte sowie Kinderkliniken während der Herbst- und Wintermonate eine deutliche Zunahme vorwiegend viraler Infektionen.
Zum Frühjahr hin ebbt die Welle dann spürbar wieder ab. Bevor es jedoch soweit ist, kann auch in einer Region mit sehr guter ärztlicher Versorgung wie in Bonn und dem umliegenden Rhein-Sieg-Kreis eine sprunghaft steigende Zahl von Patienten im Säuglings- und Vorschulalter zur Herausforderung werden. Was dies konkret bedeutet, haben vier Experten jetzt im Gespräch mit dem General-Anzeiger erläutert: Professor Rainer Ganschow (Direktor der Allgemeinen Pädiatrie am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn), Dr. Stephan Buderus (Chefarzt der Pädiatrie an den GFO Kliniken Bonn, St. Marien), Dr. Axel Gerschlauer (Obmann der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte Bonn) sowie Dr. Thomas Scheck, (Ärztlicher Direktor der GFO Kliniken Bonn und Vorstandsmitglied in der Bezirksstelle Bonn der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein).
Nicht jeder Infekt bedarf einer stationären Aufnahme
Dabei gilt es, sagt Ganschow, zunächst einmal zu differenzieren. Nicht jeder fiebrige Infekt, nicht jede Durchfallerkrankung oder jeder Ausschlag bedürfen einer stationären Aufnahme. „Auch wenn Eltern verständlicherweise besorgt sind und nicht selten auch durch »Doktor Internet« verunsichert: In der Regel ist das gar nicht nötig. Die Infektionen können ambulant behandelt und daheim auskuriert werden.“
Dies trifft vor allem auf Vorschul- und Schulkinder zu, die ja schon ein funktionierendes und stetig dazu lernendes Immunsystem besitzen. „Anders jedoch“, sagt Buderus, „sieht es bei Säuglingen im Alter bis zu drei Monaten aus, für die eine bakterielle Infektion mit Pertussis (Keuchusten) unter Umständen sogar lebensbedrohlich werden kann.“
Zu den „Klassikern“ der Saison – sie dauert laut Gerschlauer „von Oktober bis Ostern“ – zählen Magen-Darm-Infekte, Atemwegserkrankungen und die Hand-Fuß-Mund-Krankheit (siehe Kasten). Zurzeit, so bestätigen die Experten, sei die Situation vergleichsweise ruhig. Das kann sich aber auch jederzeit und dann kurzfristig ändern, zum Beispiel an Karneval.
Und es gibt Grippe-Epidemien wie im Winter 2017/18, auf die die Praxen und Kliniken jederzeit vorbereitet sein müssen. Dann erfordert es unter Umständen viel Ausdauer und Improvisation am Telefon, um von jetzt auf gleich noch ein freies Bett in der Pädiatrie zu finden.
Das kann von Fall zu Fall bedeuten, Patienten mit anderen Kliniken zu tauschen, geplante Eingriffe zu verschieben oder ein Kind vorübergehend auf einer Intensivstation für Erwachsene zu versorgen. „Auch wenn es anfangs oft fast unmöglich scheint, wir setzen alles daran, eine Lösung zu finden, und wir schaffen es auch immer wieder“, zieht Gerschlauer Bilanz der vergangenen Jahre. „Allerdings wird die medizinische Versorgung nicht mehr möglich sein, sollten wir in Zukunft tatsächlich auf eine rechtsrheinische Kinderklinik verzichten müssen. Die Schließung der Kinderklinik in Sankt Augustin wäre sowohl für die Bonner Kinder als auch für die aus dem Rhein-Sieg-Kreis eine Katastrophe, die durch die anderen Kliniken nicht zu kompensieren wäre.“
Tatsache ist aber auch, so betont Ganschow, dass Betten nur dann belegt werden können, wenn es auch genug Personal gibt, um die Patienten zu versorgen. In der Pädiatrie des Universitätsklinikums an der Adenauerallee sei es bisher leider mitunter zu langen Wartezeiten gekommen. „Zwei bis drei Stunden, das wird unseren Patienten wirklich nicht gerecht. Und wir hoffen, dass wir das in Zukunft im Eltern-Kind-Zentrum am Venusberg verbessern können.“
Ein strukturelles Problem
Das Problem ist jedoch ein strukturelles, wie Scheck erklärt. Die Kliniken seien ja bereit, neue Kräfte einzustellen. „Doch es gibt einfach nicht genug Personal.“ Um das zu ändern, genügen finanzielle Anreize aus seiner Sicht nicht. „Dringender als das wünschen sich die Schwestern und Pfleger mehr Kollegen.“
Auch zu ruhigen Zeiten wie jetzt, liege der Schutz vor Infektionen in der Verantwortung jedes einzelnen, betont Buderus. Das beginne beim Händewaschen und schließe die zum Auskurieren einer Infektion nötige Zeit ein.
Opa und Oma seien auch nicht immer geeignet, das kranke Kind zu hüten, denn eine Infektion, die bei einem Vierjährigen das Immunsystem schult, kann bei einem 80-Jährigen mit Vorerkrankungen zu Komplikationen führen. „Vor allem die Vorsorge sollte jeder von uns ernst nehmen, sich informieren, in seinen Impfpass schauen, welche Impfung aufgefrischt werden muss“, empfiehlt Buderus. Damit es für die ganze Familie letztlich doch „nur“ bei Kinderkrankheiten bleibt.