Bund zahlt 5,3 Millionen Euro Förderung Museum Koenig will unbekannte Tierarten erforschen

Bonn · Etwa ein Viertel unserer Tierarten kennen wir nicht. Das Bonner Museum Koenig will mit einem Forschungsprojekt diese Wissenslücke füllen. Der Bund gibt dafür 5,3 Millionen Euro

 Die Bonner Forscher Dr. Vera Rduch und Dr. Ralph Peters nutzen Kescher, um bisher unerforschte Insekten aufzuspüren.

Die Bonner Forscher Dr. Vera Rduch und Dr. Ralph Peters nutzen Kescher, um bisher unerforschte Insekten aufzuspüren.

Foto: Liyang Zhao

Im Museumsgarten schwenkt der Biologe einen großen Kescher über den Wildblumen hin und her. Er fängt Insekten. „Wenn ich hier fünf Minuten lang fange, werde ich schon Vertreter beider Insekten-Gruppen finden, die wir untersuchen“, sagt Dr. Ralph Peters. „Aber wir wissen so gut wie nichts über sie.“

Peters ist Kurator und Leiter des Projekts „German Barcode of Life (GBOL) III: Dark Taxa“ am Zoologischen Forschungsmuseum Koenig. Das Projekt startete am 1. Juli. Sein Ziel ist es, Deutschlands unbekannte Arten zu erforschen.

Für einen Zeitraum von 42 Monaten wird GBOL III – Dark Taxa durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 5,3 Millionen Euro gefördert. Während die Leitung beim Museum Koenig liegt, sind außerdem noch vier weitere Partnerorganisationen aus Stuttgart, München, Würzburg und Krefeld an dem Projekt beteiligt.

„Dark Taxa“ sind Tierarten, über die man so gut wie nichts weiß

Dark Taxa sind Tierarten („Taxa“), über die man nahezu nichts weiß; das Wissen über sie liegt also sozusagen im Dunklen („Dark“). Am häufigsten treten solche Dark Taxa innerhalb der Mücken und der „parasitoiden Wespen“ auf, die sich als Parasiten an oder in anderen Insekten entwickeln.

Allein diese zwei Gruppen machen allein etwa ein Viertel aller heimischen Tierarten aus. „Wenn wir eine Falle aufstellen, stammen mindestens 50 Prozent aller gefangenen Insekten aus diesen zwei Gruppen“, sagt Peters.

Viele dieser unbekannten Arten haben zudem einen wichtigen Einfluss auf die Ökosysteme, in denen sie leben: „Die Larven vieler Mücken leben beispielsweise am oder im Boden, wo sie organisches Material abbauen.“ Damit haben sie eine Schlüsselfunktion für den Kreislauf des organischen Materials. Aber sie sind eben auch sehr klein, schwarz und unscheinbar.

Bunte Farben: Schmetterlinge sind auch bei Forschern beliebter

„Viele Insektenforscher arbeiten lieber mit anderen Gruppen wie Käfern, Schmetterlingen oder Wanzen, wegen ihrer ausgeprägteren Farben und Formen“, sagt Projekt-Koordinatorin Dr. Vera Rduch – „und natürlich auch, weil sie meist ohne teure Hilfsmittel gut zu sehen und zu bestimmen sind“.

Bisher wurden Mücken und parasitoide Wespen bei Analysen der Artenvielfalt (Biodiversitäts-Monitorings) meist ausgeklammert – denn es gibt kaum Spezialisten, die sich mit diesen Gruppen auskennen. Auch Vergleichssammlungen und Literatur sind kaum zu finden. Viele Arten sind bislang noch nicht einmal benannt worden.

„Mit »GBOL III: Dark Taxa« wollen wir Licht ins Dunkle bringen“, sagt Rduch. Im Rahmen des Projekts wollen die Wissenschaftler sowohl morphologische als auch genetische Merkmale der vielen unbekannten Arten sammeln. So möchte das Team beispielsweise Bestimmungschlüssel mit Merkmalen der verschiedenen Tierarten und -gattungen erstellen. Außerdem soll die bereits bestehende genetische Datenbank aus vergangenen GBOL-Projekten mit den Informationen der Dark Taxa ergänzt werden.

Anhand des genetischen „Barcodes“ kann ein Lebewesen genau bestimmt werden

Und das funktioniert so: Jedes Tier hat einen spezifischen genetischen Barcode, den sogenannten CO1-Barcode (wobei die Abkürzung „CO1“ für einen bestimmten Teil des Enzyms Cytochromoxidase steht). Das für CO1 „zuständige“ Gen befindet sich bei fast allen Tierarten auf den Mitochondrien, den „Kraftwerken der Zelle“. Die Folge: Anhand der DNA-Sequenz „ihres“ konkreten CO1 können die Arten in vielen Fällen leicht voneinander unterschieden werden.

Mithilfe einer solchen Datenbank lassen sich Arten allein durch ihren genetischen Barcode bestimmen, ohne dass man äußerliche, womöglich nur schwer erkennbare Kennzeichen des Tiers zu untersuchen braucht. Trotzdem gibt es zu den CO1-Barcodes auch „Referenztiere“, mit denen die genetische Information abgeglichen werden kann.

Im Rahmen der Projekte GBOL I und II konnten bereits CO1-Barcodes von knapp 19 000 Arten gesammelt werden, die jetzt auf der GBOL-Homepage zur Verfügung stehen. „Es ist uns wichtig, das Wissen universell zugänglich zu machen und mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen“, sagt Peters.

Die Wissenschaftler erwarten, dass sie im Laufe des Projekts auch auf eine Vielzahl neuer Arten stoßen – Arten, die bislang noch niemand kennt. „Nur was wir kennen, können wir auch schützen“, meint Peters. GBOL III: Dark Taxa soll Wissenslücken schließen und so zum Schutz der Artenvielfalt beitragen.

Für manche Artengruppen gibt es nur einen einzigen Experten europaweit

Ein weiteres Ziel des Projekts ist die Ausbildung von Artenkennern über die Dark Taxa, die heute noch fehlen. „Für manche Gruppen gibt es in Europa nur einen Experten, mit anderen kennt sich niemand wirklich aus“, meint Rduch. Zwölf Doktoranden werden am Projekt mitarbeiten. Am Ende sollen sie Spezialisten für die vielen Mücken und Wespen sein, über die heute wenig bekannt ist.

„Für mich hat GBOL III: Dark Taxa einen Lebenstraum erfüllt“, sagt Ralph Peters. Seit 18 Jahren arbeitet er schon an parasitoiden Wespen. Die Wissenslücken über sie begleiteten ihn von Anfang an. „Vor ein paar Jahren hat man ein solches Projekt noch für ausgeschlossen gehalten – und doch stehen wir jetzt hier und gehen es an. Das ist etwas Einmaliges!“, meint der Insektenforscher. Und Vera Rduch ergänzt: „Die ganze Welt der Biodiversitätsforschung schaut nun auf uns.“

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