Missbrauch in der Katholischen Kirche Lehren aus dem Missbrauch ziehen

Bonn · Ein neues An-Institut der Universität Bonn erforscht die Prävention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt: Das IPA entstand 2019 und war bislang auf der Grafschaft ansässig.

Geste der Einnerung (Symbolbild): Ein Mann legt bei einer Solidaritätsaktion mit den Missbrauchsopfern der katholischen Kirche eine Kerze auf den Altar.

Geste der Einnerung (Symbolbild): Ein Mann legt bei einer Solidaritätsaktion mit den Missbrauchsopfern der katholischen Kirche eine Kerze auf den Altar.

Foto: picture alliance/dpa/DPA

Die Bonner Forschungslandschaft ist um eine weitere Einrichtung reicher: Im August hat das Institut für Prävention und Auf­arbeitung sexualisierter Gewalt (IPA) seinen Sitz aus dem 1400-Seelen-Dorf Lantershofen in der Gemeinde Grafschaft in die Stadt verlegt. Mit einem Festakt an diesem Mittwoch wird das von einem Verein betriebene Institut nun als sogenanntes An-Institut ein fester Kooperationspartner der Uni Bonn.

„Sexualisierte Gewalt, Macht und Missbrauch sind bereits wichtige Forschungsthemen an der Universität Bonn, insbesondere an der Katholisch-Theologischen Fakultät sowie der Philosophischen Fakultät“, schreibt die Uni dazu. Die Vernetzungsaktivitäten des IPA sollten nunmehr dazu beitragen, die Arbeiten der unterschiedlich­sten Disziplinen und Fakultäten noch besser aufeinander zu beziehen und ab­zustimmen.

Entstanden ist das Institut 2019 als Reaktion auf den Missbrauchs-Skandal in der Katholischen Kirche. Triers Bischof Stephan Ackermann hatte als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz die Initiative dazu ergriffen, nachdem die sogenannte MHG-Studie ein Jahr zuvor das ganze Ausmaß der Missbrauchsfälle ans Licht gebracht hatte.

Jeder 20. untersuchte Kleriker wurde des Missbrauchs beschuldigt

Die Autoren hatten in den Personalakten von 1670 katholischen Klerikern Hinweise auf Missbrauch von 3677 Minderjährigen gefunden. Demnach wurde annähernd jeder 20. Kleriker, dessen Akten untersucht wurde, beschuldigt, ein mutmaßlicher Missbrauchstäter zu sein – bei einer hohen Dunkelziffer.

Ackermann schwebte daraufhin nicht weniger als ein „Zentrum für Grundlagenforschung zur Prävention und Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs“ vor. Der Start allerdings verlief nicht nur wegen der Corona-Pandemie holprig. Der erste Leiter, Oliver Vogt, zuvor Interventionsbeauftragter des Erzbistums Köln für den Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs, warf nach einem Jahr das Handtuch und wechselte in den kommunalen Dienst.

Seine bisherige Referentin Mary Hallay-Witte übernahm zunächst kommissarisch, später fest die Leitung. Die Religionspädagogin hatte von 2010 bis 2018 die Fachstelle Kinder- und Jugendschutz im Erzbistum Hamburg als Geschäftsführerin und Präventionsbeauftragte aufgebaut. Ein Trägerverein entstand, um institutionell unabhängig von der Amtskirche zu werden. Die Finanzierung übernahm eine katholische Familienstiftung. Auch bemüht man sich um eigene Einnahmen. Im Kuratorium ist die Kirche unter anderem mit Ackermann aber weiterhin stark vertreten.

Geplant: Zusammenarbeit in der Lehre, in der Forschung und im Praxistransfer

Der Wechsel der bisherigen Internet-Adresse „IPA-Kirche“ zu „IPA-Institut.com“ soll nun die Fokus-Erweiterung deutlich machen. Nach eigenen Angaben versteht sich das an der Maximilianstraße angesiedelte Institut als „Ansprechpartner für Entscheidungsträger*innen in gesellschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und kirchlichen Einrichtungen“.

„Im Rahmen unterschiedlicher Kooperationen begannen 2021 die Gespräche mit der Uni Bonn“, berichtet Hallay-Witte, wie es zur universitären Anbindung gekommen ist. Die drei Säulen der künftigen Kooperation seien eine Zusammenarbeit in der Lehre, der Forschung und insbesondere im Praxistransfer. Dieser sei nicht nur mit den theologischen Fakultäten geplant, sondern auch mit der philosophischen sowie der medizinischen Fakultät.

Bei dem öffentlichen Festakt am 14. September ab 16 Uhr im Festsaal der Uni (Hauptgebäude) spricht die kanadische Theologin Karlijn Demasure über „Sexual Violence – The Interplay between Church and Society“. Demasure leitet das neu eingerichtete interdisziplinäre Zentrum zum Schutz von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen an der Saint Paul University in Ottawa. Sie ist auch Mitglied im IPA-Kuratorium.

Wer den Festakt besuchen möchte, wird um Anmeldung gebeten, per E-Mail an dekanat.ktf@uni-bonn.de, ☎ 0228/73 73 43 oder über https://terminplaner.dfn.de/Anmeldung-IPA-Uni.

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