Preis für Bonner Arbeitsmarktforscherin Zufall und Notwendigkeit

Bonn · Die Bonner Juniorprofessorin Amelie Schiprowski erhält für ihre Arbeitsmarktforschung einen mit 25 000 Euro dotierten Preis der Joachim-Herz-Stiftung

 Amelie Schiprowski untersucht die Rolle der Fallmanager bei der Vermittlung arbeitsloser Menschen in einen neuen Job – und die des Zufalls.

Amelie Schiprowski untersucht die Rolle der Fallmanager bei der Vermittlung arbeitsloser Menschen in einen neuen Job – und die des Zufalls.

Foto: Benjamin Westhoff

Für manche ist Arbeitslosigkeit nur eine kurze Phase zwischen zwei Jobs. In anderen Fällen brauchen die Fallmanager im Jobcenter und ihre Klienten deutlich mehr Zeit und Geduld. Woran liegt das? In welchem Maße wirkt es sich aus, wenn Gesprächstermine ausfallen? Und was ist umgekehrt nötig, um die Erfolgsquoten im Interesse aller Beteiligten zu steigern?

Diese und weitere daraus resultierende Fragen stellt sich die Arbeitsmarktforscherin Dr. Amelie Schiprowski, Juniorprofessorin am Institut für angewandte Mikroökonomie an der Uni Bonn und Wissenschaftlerin im Exzellenzcluster ECONtribute der Unis Bonn und Köln. Für ihre Untersuchung zur Rolle der Fallmanager bei der Vermittlung arbeitsloser Menschen in den Arbeitsmarkt ist sie jetzt mit dem Deutschen Wirtschaftspreis der Joachim-Herz-Stiftung ausgezeichnet worden. Er ist mit einem Preisgeld von 25 000 Euro verbunden und wird am 19. März in Hamburg verliehen.

„Ich habe im Dezember davon erfahren und mich riesig darüber gefreut“, sagt die 31-Jährige. Die Anerkennung gesellschaftlich relevanter Forschungsarbeit sei „eine große Ehre“. Und genau diese Arbeit möchte sie künftig fortführen und vertiefen. Die Herausforderung, Wirtschaftswissenschaft auf den Arbeitsmarkt anzuwenden, habe seinerzeit ihre Entscheidung bestimmt, Volkswirtschaftslehre zu studieren und sich auf Mikroökonomie zu spezialisieren, den Blick also auf das Verhalten einzelner „Wirtschaftssubjekte“ wie Haushalte und Unternehmen zu richten.

„In der Promotionsphase habe ich

mein erstes Kind bekommen“

Ihr Studium hat die gebürtige Bonnerin nach Nancy (2007 bis 2009), nach Philadelphia (2009 bis 2010) und nach Paris geführt, wo sie den Master erwarb. Es folgte das Berliner Doktorandenprogramm des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das auch mit der Uni Potsdam vernetzt ist. Und dort wurde Schiprowski im Mai 2018 mit der Verteidigung ihrer Dissertation zum Thema „Four Empirical Essays on the Economics of Job Search“ promoviert.

„In der Promotionsphase habe ich mein erstes Kind bekommen“, erzählt die Mikroökonomin, die aus familiären Gründen von Potsdam aus wieder Kurs Richtung Bonn nahm. Dort vergrößerte sich die Familie noch einmal. „Die beiden sind jetzt vier und ein Jahr alt“, ergänzt die Forscherin.

Juniorprofessorin am Bonner Institut ist Schiprowski seit Oktober 2019. Das Modell orientiert sich an britischen und US-amerikanischen Mustern. Die Habilitation erwirbt man durch Publikationen, so dass die Juniorprofessur bei erfolgreicher Publikationsleistung in eine reguläre übergehen kann. „Eine gute Perspektive“, die es Schiprowski ermöglicht, ihre Forschung zu vertiefen. „Ich wende statistische Methoden auf Arbeitsmarktfragen an“, beschreibt sie ihre Herangehensweise.

In Deutschland gibt es keine

detaillierten Daten zum Thema

Die Untersuchungen beruhen auf Daten aus der Schweiz, da detaillierte Daten zum Thema in Deutschland der Forschung nicht zur Verfügung stehen. Und auf diesen Daten gründen die Antworten auf essenzielle Fragen. Etwa: Wenn Fallmanager Termine mit ihren Klienten aus Krankheitsgründen absagen müssen – verlängert das deren Arbeitslosigkeit? Kann ein anderer Fallmanager übernehmen und womöglich erfolgreicher sein?

„Zufälle wie diese spielen in unserer Forschung eine wichtige Rolle“, sagt Schiprowski.Denn diese Zufälle ermöglichten, kausale Zusammenhänge zu messen und so relevante Forschungsergebnisse zu erzielen. „Es gibt Menschen, die einen messbaren positiven Einfluss darauf haben, andere wieder in Arbeit zu bringen – und damit sind stabile Arbeitsverhältnisse gemeint“, betont sie. „Also wäre es wichtig, Bedingungen zu schaffen, damit sie und möglichst viele ihrer Kollegen genau das tun können und durch mehr Stellen dort Überlastung zu vermeiden. Den Job des Fallmanagers aufzuwerten bedeutet, den ökonomischen und zwischenmenschlichen Einfluss dieser Personen wertzuschätzen, auch finanziell.“

Aus der Bilanz ergeben sich weiterreichende Fragen für die Zukunft. „Es existiert eine Menge administrativer Daten“, konstatiert Schiprowski. „Dies bedeutet zunächst einmal nur: Fallmanager und Klient haben sich getroffen. Aber es gibt keine inhaltlichen Angaben zu ihrem Gespräch. Dies auszuwerten wäre aber sehr interessant und sicher auch lohnend.“ Ebenso wie ein besseres Verständnis darüber, wie Arbeitsverhältnisse entstehen. Hier gibt es offene Stellen, dort Arbeitssuchende – „aber wie bringt man das besser zusammen?“ Für Amelie Schiprowski ist dies die spannnendste Art, Volkswirtschaftslehre praktisch anzuwenden. Auch wenn der Begriff Mikroökonomie dies vielleicht nicht auf Anhieb vermuten lässt.