Streit um Bonner Rechtsphilosophie-Professur Lehrstuhl lange unbesetzt: Bewerberin bekommt keine Einladung

Bonn · Wie eine Lehrstuhlvergabe vom Geschlecht abhängen kann, und was „Benachteiligung“ ist: Eine kritische Anmerkung zum Stillstand beim Berufungsverfahren in der Bonner Rechtsphilosophie.

 Das Juridicum der Bonner Universität.

Das Juridicum der Bonner Universität.

Foto: Benjamin Westhoff

Eine Bewerberin auf den aktuell freien Bonner Lehrstuhl für Rechtsphilosophie wurde nicht einmal zum Probevortrag eingeladen. Sie beschwerte sich bei der Gleichstellungsbeauftragten der Uni und beim Wissenschaftsministerium in Düsseldorf. Das Ministerium kündigte dem Rektor an: Wenn er trotzdem den Freiburger Jura-Professor Michael Pawlik ins Amt hebe, werde es die Berufung rechtsaufsichtlich beanstanden und letztlich aufheben. Seit Monaten liegen die Partner nun im Clinch, und keine Seite bewegt sich.

Wie vermag eine Bewerberin das ganze Berufungsverfahren zum Stillstand zu bringen? Laut NRW-Landeshochschulgesetz (§ 24) hat die Gleichstellungsbeauftragte „die Belange der Frauen, die Mitglieder oder Angehörige der Hochschule sind, wahrzunehmen“ und zu vertreten. Die Beschwerdeführerin kam aber von außen, gehört gar nicht zur Uni Bonn.

Aber egal: Laut Gleichstellungsgesetz NRW wirkt die Gleichstellungsbeauftragte bei „Stellenausschreibungen, Auswahlverfahren und Vorstellungsgesprächen“ mit, bei „Berufungsverfahren“ an Hochschulen schwerpunktmäßig mit der „Entgegennahme von Beschwerden bei Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts“.

Tatsächlich sind nur zwei von zwei Dutzend Bonner Jura-Professoren Frauen. Das ist wenig im Vergleich mit der amtlichen „Gleichstellungsquote“, einer hochschulübergreifend ermittelten Größe vom Frauenanteil in einzelnen Fächergruppen. Sie liegt unter berufbaren Rechtswissenschaftlern derzeit bei 39,4 Prozent, sagt der Universitätssprecher Andreas Archut, also viermal höher als im Bonner Professorenkollegium. Da besteht Nachholbedarf, wobei besagte Gleichstellungsquote keine Rechtsnorm, sondern nur ein statistischer Anhaltspunkt ist.

Maßgebliche Berufungskriterien sind laut Grundgesetz (Artikel 33, Absatz 2) „Eignung, Befähigung und fachliche Leistung“. Es geht also um die Qualifikation. Dafür kann Unterschiedliches zählen, etwa didaktisches Talent im Unterricht oder internationale Erfahrung. Das besondere Anforderungsprofil gibt die Berufungskommission in der Stellenausschreibung vor.

Personalentscheidung muss vertretbar sein

Wenn überhaupt, kann eine Personalentscheidung selten als „einzig richtige“ erscheinen, im Verwaltungshandeln muss sie „vertretbar“ sein. Da gilt der Ermessensspielraum. Mancher Bewerber mag sich ärgern, wie er dabei abschneidet.

Im aktuellen Fall nimmt eine Frau Platz 2 auf der Berufungsliste ein. Die angebliche Benachteiligung der anderen kann demnach weniger an ihrem Geschlecht liegen als vielmehr an ihrer Person und ihrem wissenschaftlichen Werk. Kein Unglück, immerhin hat sie damit schon anderswo in NRW eine Spitzenprofessur. Das Scheitern in Bonn mit dem Allgemeinplatz einer „Benachteiligung des Geschlechts“ begründen zu wollen, erscheint kritischen Beobachter(inne)n deshalb als vielleicht aufregendes, aber keineswegs triftiges Argument.

Tatsächlich hätte die abgewiesene Bewerberin gleich mit einer „Konkurrentenklage“ vor das Verwaltungsgericht ziehen können, um das Berufungsverfahren zu stoppen. Warum statt dessen die Beschwerde beim Ministerium? Dort liegt die „Rechtsaufsicht“ mit anderen Angelegenheiten, wie zum Beispiel finanzwirksamen „Hochschulverträgen“, in ein und derselben Hand. Unter diesen Umständen könnte es dem Rektor ja klug erscheinen, in einer „Personalfrage“ nachzugeben.

Oder er lässt es wegen der Hochschulautonomie auf einen Gerichtsstreit mit dem Ministerium ankommen. Das ist noch offen.

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