Konferenz des DAAD Schlummerndes Potenzial

Bonn · Eine Konferenz des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Bonn befasste sich mit der Integration von Geflüchteten ins Studium. Klar wird: Von einer Akademiker-Schwemme kann keine Rede sein.

 Eine Geflüchtete in Hamburg macht klar, worum es ihr geht. Doch der Weg ins Studium ist ein weiter. FOTO: DPA

Eine Geflüchtete in Hamburg macht klar, worum es ihr geht. Doch der Weg ins Studium ist ein weiter. FOTO: DPA

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Es hätte alles ganz anders kommen können: 1948 wandte sich der selbst eben erst gegründete Libanon militärisch gegen den zionistischen Nachbarstaat Israel. Die Folgen waren nicht nur wirtschaftlicher Natur. Auch Hunderttausende Palästinenser drängten als Flüchtlinge ins Land. Zehntausende Libanesen forderten daraufhin 1952 den Rücktritt des Gründungspräsidenten Bechara El Khoury. Darunter war auch Abdul Fattah Jandali als Herausgeber eines panarabischen Magazins. Erschrocken vom Ausmaß der Massenproteste ging Jandali zwei Jahre darauf als politischer Flüchtling zu seinem Bruder in die USA. 1955 wurde er Vater – und sein Sohn zum Revolutionär der Computer-Industrie. Es war der Apple-Gründer Steve Jobs.

„Menschen mit intellektuellem Potenzial gehören zu den ersten, die ein Land verlassen müssen“, sagte Thomas Rachel mit dem Blick auf den Fall Jobs. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesforschungsministerium sieht in Folge der Flüchtlingswelle von 2015 noch enorme Potenziale ungehoben.

Mit seiner Aussage eröffnete er die Fachkonferenz Flucht und Studium, auf der der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) im Bonner Maritim-Hotel mit Experten von Bund, Ländern und Hochschulen ein Jahr nach Beginn der gezielten Studienförderung für Flüchtlinge eine erste Bilanz zog. Mit den beiden Sofort-Programmen Integra und Welcome hat der DAAD die Arbeit von 170 beziehungsweise 160 Hochschulen und Berufskollegs gefördert, berichtete DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland. Wegen des großen Erfolgs sollen beide Programme verlängert werden.

Vor allem Integra soll es den Hochschulen erleichtern, geeignete Kandidaten schnell ins Regelstudium zu bringen. Dazu wurde Uni-Assist, die Service-Stelle für internationale Studienbewerbungen, ausgebaut. Das Programm übernimmt auch die Kosten für den Studieneingangstest TestAS und die Sprachprüfung. Aus den TestAS-Ergebnissen liegen damit nun auch erste statistische Daten vor. Von den rund 890.000 Flüchtlingen, die 2015 nach Deutschland kamen, haben nur 2528 sich für TestAS angemeldet, 1700 für den Sprachtest onSET. Von einer Akademiker-Schwemme kann also keine Rede sein.

80 Prozent der geflüchteten Teilnehmer sind männlich. Drei Viertel kommen aus Syrien. Und ihre Präferenzen sind eindeutig: Medizin, Informatik und Ingenieurswissenschaften liegen auf den Top-Plätzen, referierte die zuständige DAAD-Abteilungsleiterin Anette Pieper. Bis zum regulären Studium ist es indessen noch ein weiter Weg. 72 Prozent der Getesteten erreichten allenfalls das Deutsch-Niveau A2. Nur jeder Zehnte kann sich bereits Hoffnungen auf einen Studienplatz machen.

Qassem Alhomayyer ist da schon einen guten Schritt weiter. Der Syrer kam Ende September 2015 mit seinem elfjährigen Bruder ins Rheinland. „Ich hatte im Sommer in Damaskus Abitur gemacht“, erzählt er am Rande der Tagung leise in fast perfektem Deutsch. Danach drohte ihm mit 18 Jahren der obligatorische Militärdienst für das Assad-Regime. „Ich wollte nicht auf Menschen schießen, schon gar nicht auf andere Syrer.“ Die Universität Köln hat sich Alhomayyers und 84 weiterer Flüchtlinge angenommen. Dort besucht der junge Mann jetzt studienvorbereitende Kurse. Später möchte er Biologie studieren.

„Jeder braucht eine intensive persönliche Betreuung, um diesen Weg zu schaffen“, berichtet Susanne Preuschoff aus der Abteilung für Internationale Studierende. Im neuen Sommersemester solle die Zahl auf 105 Studierende anwachsen. „Mehr trauen wir uns im Moment nicht zu.“ Tatsächlich sei es für die Studienbewerber häufig sehr viel schwieriger als offiziell dargestellt, an den Hochschulen Fuß zu fassen. Zunächst haben sie erst mit anerkanntem Aufenthaltsstatus Anspruch auf Studienförderung. Das kann locker ein bis zwei Jahre dauern.

Würden ihnen Studienleistungen aus dem Heimatland anerkannt, sinke zugleich häufig der BaföG-Anspruch, sagt Peuschoff. Und die nötigen Sprachkurse für die Studienreife würden bislang nicht übernommen. Und wer die Studienreife nachweisen kann, muss dann auch erstmal einen Studienplatz ergattern, in Fächern mit Numerus clausus eine reine Glückssache. Dazu kommen die vielen persönlichen Probleme bei der Integration, die die Geflüchteten von Zuhause mitbringen. Weil Qazzem Alhomayyer, übrigens der einzige selbst betroffene Teilnehmer der Konferenz, selbst erst in einem Monat volljährig wird, lebt sein Bruder derzeit in einer Pflegegruppe. Um ihn kümmern muss sich der junge Mann trotzdem.

Auch im Fall von Steve Jobs waren die Dinge weniger prosaisch, was der Staatssekretär in seinem Grußwort vermutlich wohlweislich verschwieg. Seine deutschstämmige Mutter gab den Jungen zur Adoption frei. Steve wuchs bei hochgebildeten Akademikern auf. Seinen leiblichen Vater hat er nie gesehen. Der übernahm später weniger prätentiös die Leitung eines Spielcasinos.

Wie es für ihn und seinen Bruder nach der Flucht über Österreich in Zukunft weitergehen wird, kann Qassem Alhomayyer noch nicht abschätzen. „Ich würde irgendwann gerne zurückkehren, zumindest für die Ferien. Aber wer weiß, ob das jemals geht“, sagt er.

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