Humboldt-Preisträger-Forum in Bonn Shakespeare und Cervantes: Im Zentrum der Kulturgeschichte

BONN · Das Humboldt-Preisträger-Forum in Bonn widmet sich 400 Jahre nach deren Tod Shakespeare und Cervantes. Der Einfluss der beiden Schriftsteller reicht bis in die heutige Zeit hinein.

 Schriftsteller Cervantes ist nicht nur in Spanien an vielen Orten präsent, sondern weltweit von Bedeutung.

Schriftsteller Cervantes ist nicht nur in Spanien an vielen Orten präsent, sondern weltweit von Bedeutung.

Foto: picture alliance / dpa-tmn

Es ist nahezu unmöglich, Autoren zu nennen, die einen größeren Einfluss auf die Kulturgeschichte des Westens hatten und haben als William Shakespeare und Miguel de Cervantes. Möglicherweise könnten noch Goethe oder Dante dem Barden von Avon und dem Schöpfer des Don Quijote hinsichtlich ihrer Bedeutung gleichkommen, doch dann wird es schon eng. Vor 400 Jahren starben die beiden Giganten der Literatur im Abstand von gerade einmal zehn Tagen – nun hat die Alexander-von-Humboldt-Stiftung ihrer im Rahmen eines Preisträger-Forums in Bonn gedacht.

„Sowohl Shakespeare als auch Cervantes hören nicht auf, uns bis heute wichtige Fragen zu stellen“, erläuterte die Berliner Komparatistik-Professorin Claudia Olk und Präsidentin der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft im Gespräch mit dem GA. Sie behandeln Archetypen, zeigen tragisch Liebende, vor Eifersucht Rasende, vom Machthunger Getriebene und von Vorurteilen Gezeichnete, dabei beständig nach einer Auflösung suchend und selbst im Moment des Scheiterns fündig werdend.

„Vor allem aber inspirieren ihre Werke bis heute und bilden die Grundlage für etwas Neues“, sagte Olk. „Das ist auch gut so, denn wie der Regisseur Fritz Kortner zu sagen pflegte, “Werktreue ist Faulheit„. Indem wir uns immer wieder mit den Stoffen auseinandersetzen, sie interpretieren und adaptieren, binden wir sie doch erst in einen kreativen Prozess mit ein, der nachhaltig ist. Es ist so ähnlich wie mit den Sinfonien Beethovens: Wir müssen uns die Dramen und Cervantes' Roman immer wieder neu aneignen, sie immer wieder neu erfahren und gewinnen gerade dadurch unglaublich viel.“

Wie sehr gerade Shakespeare in den vergangenen Jahrhunderten gewirkt hat, lässt sich schon mit einem Blick in ein beliebiges Wörterbuch der englischen Sprache zeigen: Zahlreiche Neologismen gehen auf ihn zurück, ebenso wie viele berühmte Zitate. „Brave new world“, „come what may“ oder „dead as a doornail“ gehören zum alltäglichen Sprachgebrauch, in der Regel ohne dass die Menschen sich ihres Ursprungs bewusst sind.

„Shakespeare hat ohne Zweifel den englischen Wortschatz enorm erweitert“, bestätigte auch Olk. Und noch weit mehr das Bewusstsein für Theaterstoffe, -motive und -konzepte. Über alle Sprach- und Ländergrenzen hinaus kennt man die Schicksale von Romeo und Julia, Othello, Hamlet und Macbeth, weiß um ihre Dramatik und versteht diese.

„Wir sind natürlich auch alle mit Shakespeare sozialisiert worden“, sagte Olk. „Leider nimmt das mittlerweile immer mehr ab, da das alte Englisch als zu schwer für die Schule erachtet wird. Dadurch geht allerdings weit mehr verloren als nur eine gewisse Form des Sprachverständnisses.“

Und was ist mit Cervantes, der immerhin nur durch ein einziges Werk zu Weltruhm gelangte? „Sein Einfluss ist vielleicht nicht ganz so offensichtlich, aber nicht weniger vorhanden“, sagte Olk. „Schon die Tatsache, dass es bereits 1612 eine Übersetzung des Romans gab und Shakespeare zusammen mit John Fletcher daraus die Idee für das inzwischen verlorene Stück “The History of Cardenio„ entlieh, spricht Bände.

Das Spiel mit Realität und Wirklichkeit im “Don Quijote„, die Intertextualität und die Metaebenen lassen einen bis heute nicht locker. Zuletzt hat etwa der Nobelpreisträger J.M. Coetzee in “The Childhood of Jesus„ kontinuierlich auf Cervantes Bezug genommen. Oder denken Sie nur an Pozzo und Lucky aus Becketts “Waiting for Godot„.“ Gerade diese Omnipräsenz und Übermacht, die Shakespeare und Cervantes teilen, sei für viele Autoren (etwa James Joyce) ein Ansporn gewesen. Und ist es immer noch.

„In der Welt-Shakespeare-Gesellschaft verzeichnen wir gerade ein großes Interesse etwa aus Indien, aber auch aus dem asiatischen Raum“, sagte Olk. Das Preisträger-Forum reflektierte dies: Unter den Vortragenden befanden sich Literaturwissenschaftler aus Togo, Japan und Ägypten ebenso wie aus den USA, Italien, Polen und Deutschland.

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