Patientenkolloquium am 23. Februar UKB berät zu Beschwerden bei Long Covid

Bonn · Beim nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn geht es um Long Covid. Was tun, wenn die Beschwerden nach einer Infektion anhalten oder sogar neu auftreten?

 Kein Loskommen vom Coronavirus: Müdigkeit und Erschöpfung gehören zu den am häufigsten genannten Symptomen bei Long Covid.

Kein Loskommen vom Coronavirus: Müdigkeit und Erschöpfung gehören zu den am häufigsten genannten Symptomen bei Long Covid.

Foto: freshidea/Adobe Stock

Die Nachrichten, die im Februar vor drei Jahren Schlagzeilen machten, klingen aus heutiger Sicht fast schon unwirklich. Als seien Begriffe wie Sars-CoV-2, Inzidenz und Lockdown aus der Zeit gefallen – einer, die die meisten so schnell und so weit wie möglich hinter sich lassen möchten: erleichtert.

Wer öffentlich Maske trägt, tut das mittlerweile freiwillig – an Orten mit unkontrollierbaren Kontakten wie Supermarkt, Bus und Bahn nach wie vor keine schlechte Idee. Aber wenn damit zu rechnen ist, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den am 30. Januar 2020 ausgerufenen internationalen Gesundheitsnotstand im Laufe dieses Jahres aufheben wird, und Virologen statt von einer Pandemie nunmehr von „endemischen Wellen“ sprechen, dann ist damit doch alles wieder gut?

Für manche, die sich im Laufe der vergangenen drei Jahre mit einer der inzwischen zahlreichen Varianten von Sars-CoV-2 infiziert haben, die an Covid-19 erkrankt waren und mitunter bis heute unter den Folgen leiden, sieht die Bilanz allerdings anders aus: Kreislauf- und Schlafstörungen, Erschöpfung (Fatigue), Kurzatmigkeit, Husten, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und Teilnahme am beruflichen und privaten Leben sowie Depressionen und Ängste werden am häufigsten im Zusammenhang mit einem neu aufgetretenen Krankheitsbild namens Long Covid beziehungsweise Post Covid beschrieben.

Eine Rückkehr zum Status quo vor Corona gibt es für die Gesellschaft nicht

Long Covid ist der Oberbegriff für gesundheitliche Langzeitfolgen, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus vorhanden sein können. Er umfasst Symptome, die mehr als vier Wochen nach Ansteckung fortbestehen, sich verschlechtern oder neu auftreten. Beschwerden, die noch nach drei Monaten bestehen und mindestens zwei Monate lang anhalten oder wiederkehren, werden als Post-Covid-Syndrom bezeichnet.

Darum geht es am Donnerstag, 23. Februar, beim nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn (UKB). Professor Ullrich Wüllner (Direktor der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen), Professor Christian Strassburg (Direktor der Medizinischen Klinik I) sowie Diplom-Psychologin Catherine Widmann (Leitende Neuropsychologin der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen) werden an diesem Abend darüber sprechen, wie viele Menschen davon betroffen sind, wie schwer ihre Symptome sein können und welche Möglichkeiten der Therapie es gibt.

Auch wenn längerfristige Studien erst am Anfang stehen und Ergebnisse nach und nach folgen werden, lässt sich eins mit Sicherheit sagen: Eine Rückkehr zum Status quo vor Corona gibt es für die Gesellschaft nicht. Das Virus bleibt, und auch der Begriff „endemisch“ ist dabei nicht als generelle Entwarnung misszuverstehen: Gemeint ist damit, dass Infektionswellen abflachen und für einen Großteil der Bevölkerung weniger gravierend sind, weil es eine breit vorhandene Immunität durch Impfungen und überstandene Infektionen gibt. „Die Ansteckungs­gefahr bleibt bestehen“, stellt Wüllner einleitend klar. „Das Immunsystem ist jedoch nicht mehr mit einem unbekannten Erreger konfrontiert und kann schneller reagieren.“

Wie unberechenbar ist dieses Virus tatsächlich?

Dass jemand, der wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden muss (unter Umständen sogar wochenlang auf der Intensivstation liegt), lange braucht, um sich zu erholen und dass er möglicherweise sogar bleibende Schäden davonträgt, ist sicher nicht schwer nachzuvollziehen. Doch wie lassen sich anhaltende oder erst mit Verzögerung neu auftretende Symptome bei einem eher moderaten Krankheitsverlauf erklären? Wie unberechenbar ist dieses Virus tatsächlich? Muss demnach jeder, der damit in Berührung kommt, befürchten, nie wieder ganz gesund zu werden?

Die allgemeine Verunsicherung in Bezug auf Long Covid und Post Covid scheint weiterhin groß. Verständlich, wenn man den Verlauf der Pandemie betrachtet, erklärt Strassburg: „Zu Beginn wurde die ungeimpfte Bevölkerung mit dem Virus konfrontiert. Das hat damals dazu geführt, dass binnen kurzer Zeit viele Menschen sehr schwer erkrankt sind.“ Und die Folgen von Covid-19-Erkrankung können von Fall zu Fall tatsächlich gravierend sein, wie der Experte beschreibt. „So wird beispielsweise die Mikrozirkulation in den Kapillaren – den kleinsten Blutgefäßen – beeinträchtigt. Denn das Coronavirus greift die auskleidende Zellschicht der Gefäße, das Endothel, an.“ Infolge dieser vaskulären Schäden können Herz-Kreislauf-Probleme auftreten. Das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöht sich. „Bei anderen Covid-19-Patientinnen und -Patienten zeigen sich eine verminderte Nierenfunktion, Erkrankungen der Gallenwege oder deutlich verschlechterte Leberwerte.“ Gravierende Probleme entstehen – vereinfacht gesagt – überall dort, wo sich die Durchblutung signifikant verringert. Aber auch durch das Virus selbst ausgelöste oder getriggerte Mechanismen werden in Studien untersucht.

„Impfungen helfen inzwischen in den weitaus meisten Fällen, schwere Verläufe zu verhindern“, betont Strassburg. Mehr noch: „Die Wahrscheinlichkeit des vollständigen Ausheilens einer Infektion mit Sars-CoV-2 ist sogar sehr hoch. Sie liegt bei rund 90 Prozent.“ Grundlage für diese ermutigende Zwischenbilanz ist eine Long-Covid-Studie, an der das UKB gemeinsam mit weiteren Universitätskliniken – zum Beispiel in Köln und Düsseldorf – beteiligt ist. Ergebnisse sind laut Strassburg im Laufe dieses Jahres zu erwarten.

Die insgesamt betrachtet positive Perspektive steht jedoch keinesfalls im Widerspruch zu den Erfahrungen vieler Long-Covid-Betroffener, die ihren Zustand als fremd erleben und sich fragen, wie lange das noch so weitergehen soll. „Dass Symptome länger anhalten, ist aber zunächst nichts Ungewöhnliches. Auch andere Viruserkrankungen haben eine Rekonvaleszenzphase“, ergänzt Strassburg. Auch wenn das von den Patientinnen und Patienten viel Geduld erfordern kann: über Wochen und mitunter auch über Monate hinaus. „Dabei erleben aber nur Wenige schwere neurologische Symptome. Gedächtnislücken oder Störungen der Wortfindung können trotzdem als große seelische Belastung empfunden werden“, schildert Widmann. Der Begriff „Brain Fog“ (Gehirnnebel) benennt das Gefühl, in Denkprozessen eingeschränkt zu sein, häufig Dinge zu vergessen, Zusammenhänge langsamer zu verstehen oder keinen klaren Gedanken mehr fassen zu können.

„Der Eindruck von Ohnmacht und Ausgeliefertsein verstärkt sich noch, wenn man von seiner Umgebung darin nicht ernst genommen wird oder wenn man sich selbst überfordert“, fügt Widmann hinzu. Zur Ursache neurologischer Long-Covid-Symptome gibt es unterschiedliche Hypothesen. Sind es Durchblutungsstörungen? Oder ist es vielmehr das Virus selbst, das eine anhaltende Entzündung auslöst?

„Auch bei Long Covid gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um das Befinden spürbar zu verbessern“

„Wichtig ist, die Beschwerden ernst zu nehmen und darüber frühzeitig mit der Hausärztin oder dem Hausarzt zu sprechen“, hebt Widmann hervor. „Da es keinen eindeutigen Test gibt, der explizit auf Long Covid hinweist, führt der Weg über die Differenzialdiagnostik (Ausschlussverfahren): Könnte eine andere Infektion vorliegen? Gibt es vielleicht Probleme mit der Schilddrüse, mit Asthma oder besteht eine Lungenerkrankung? Dies alles gilt es erst einmal abzuklären.“ Dass die Zahl der Betroffenen groß ist, zeigt sich daran, dass die interdisziplinäre Sprechstunde am UKB derzeit wegen starken Andrangs keine Patientinnen und Patienten mehr annimmt; wann die Anmeldung wieder öffnet, wird das Klinikum auf seiner Website bekannt geben.

Medikamente wie Remdesivir und Paxlovid können bei einer beginnenden Covid-Erkrankung die Vermehrung von Sars-CoV-2-Viren blockieren und dem Immunsystem so Zeit verschaffen, sie selbst zu bekämpfen. „Doch auch bei Long Covid gibt es zahlreiche Möglichkeiten, um das Befinden spürbar zu verbessern und Lebensqualität zurückzugewinnen“, sagt Widmann. Dazu zählen unter anderem Energie- und Aktivitätsmanagement, Entspannungstechniken, gezielte kognitive Trainings und physiotherapeutische Maßnahmen. „Betroffene können und sollten aktiv etwas für sich tun“, empfiehlt Widmann abschließend. Denn Long Covid ist keine Sackgasse und die Aussicht, sich auf Dauer vollständig von einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu erholen, jeder Mühe wert.

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