Patientenkolloquium am 20. Januar Uniklinik Bonn berät Patienten zum Thema Gelenke

Bonn · Beim nächsten Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn (UKB) geht es um die Gelenke. Wer lange mobil sein möchte, benutzt sie gleichmäßig und regelmäßig. Doch auch natürlicher Verschleiß lässt sich behandeln.

 Sie werden im Alltag besonders stark beansprucht: Schulter und Kniegelenk.

Sie werden im Alltag besonders stark beansprucht: Schulter und Kniegelenk.

Foto: Rolf Müller/UKB/Rolf Mueller/UKB

Jedes Jahr im Januar haben gute Vorsätze Saison: sich mehr zu bewegen, gesünder und abwechslungsreicher zu essen und überflüssige Pfunde – die bei näherem Nachdenken wohl auch schon vor Weihnachten vorhanden waren – endlich loszuwerden. Doch zu allen Hindernissen, die der Verwirklichung dieser Ziele bislang im Weg gestanden haben mögen, kommen seit nunmehr fast zwei Jahren die Einschränkungen und Auflagen durch die Corona-Pandemie. Das hat bei vielen Menschen inzwischen sichtbare Spuren hinterlassen. Mediziner befürchten: Den Bewegungsmangel  und die zusätzlichen Mahlzeiten werden die Gelenke – die der Schulter, der Wirbelsäule, der Hüfte, der Knie und der Füße – noch zu spüren bekommen.

Auch wenn das aus dem 19. Jahrhundert stammende Sprichwort „Wer rastet, der rostet“ für die meisten etwas altbacken klingt: Es trifft dennoch zu. Zwar haben sich Lebensweise und Lebensstandard seither grundlegend geändert – die menschliche Anatomie hingegen nicht. Der Körper ist mit seinen Gelenken auf Bewegung ausgerichtet; das ist seine Natur.

Viele Möglichkeiten für eine möglichst mobile Zukunft

Wer sich seine körperliche Fitness und Mobilität so lange wie möglich erhalten möchte, macht also schon vieles richtig, wenn er dies im Blick behält. Was man überdies dafür tun kann, ist am kommenden Donnerstag, 20. Januar, Thema beim Patientenkolloquium des Universitätsklinikums Bonn (UKB)  – wieder als öffentliche Zoom-Konferenz, von 18 bis 20 Uhr. Professor Dieter C. Wirtz (Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie), Privatdozent Dr. Matthias Wimmer (Geschäftsführender Oberarzt der Klinik) und Privatdozent Dr. Thomas Randau (Sektionsleiter Gelenkchirurgie und Rheumaorthopädie) sprechen an diesem Abend darüber, wann und wie sich Verschleißerscheinungen am Bewegungsapparat erstmals bemerkbar machen und wie sich dem beizeiten entgegensteuern lässt. Dabei geht es um eine realistische Bestandaufnahme des Ist-Zustandes, eine eigens auf die Patientin/den Patienten und ihr/sein lädiertes Gelenk abgestimmte Therapie sowie einen Plan für eine möglichst mobile Zukunft.

„Unsere Empfehlungen richten sich vor allem an diejenigen, bei denen sich bereits erste Beschwerden am Bewegungsapparat bemerkbar machen“, erklärt Wirtz einleitend. Der Verschleiß, die Gelenkarthrose, zeigt sich meist erstmals zwischen dem 35 bis 40. Lebensjahr – die biologische Degeneration allerdings setzt bereits mit dem 25. Lebensjahr ein. „Erste Symptome für Gelenkverschleiß sind Anlaufschmerzen“, macht Wirtz deutlich. „So genannte endgradige Bewegungen wie Schuhe zubinden fallen schon schwerer, auch eine gewisse Gelenksteife nach längerem Verharren wird spürbar.“

„Vorbeugend sollte man einseitige und sich monoton wiederholende Belastungen der Gelenke nach Möglichkeit vermeiden“, empfiehlt Wimmer. „Also bewusst auf Haltungs- und Stellungswechsel achten.“ Das geht sogar auf einem Schreibtischstuhl. Noch besser ist es, sich zwischendurch auch einmal hinzustellen und die Beine zu vertreten.

Radfahren und Schwimmen helfen bei der langfristigen Fitness

„Sitzen ist das neue Rauchen“: Mit diesen Worten hat der US-Forscher James Levine bereits vor Jahren die schädlichen Auswirkungen dieser ebenso oft gepflegten wie einseitigen Körperhaltung charakterisiert, bei der Stoffwechsel und Herz-Kreislauf-System auf Sparflamme laufen. Der Kalorienverbrauch tut es beim Sitzen auch; eine schlechte Nachricht für alle, die ohnehin schon zu viel Gewicht mit sich herumschleppen. Und auch wenn dies nur einer der Gründe für zunehmenden Gelenkverschleiß ist, empfehlen die Orthopäden am UKB, diesen Risikofaktor nicht zu unterschätzen und gegebenenfalls Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn das Abnehmen in Eigenregie nicht funktioniert.

In Zukunft mehr in seinem Leben zu bewegen bedeutet aber nicht, mit Mitte 50 von der Couch aus direkt in die Skistiefel zu steigen, um auf der Piste seine Fitness zu demon­strieren. „Es gibt einige Sportarten, die ein gewisses Level an Fitness voraussetzen“, sagt Wimmer. „Fußball, Squash und Volleyball stellen auch bei jüngeren und trainierten Menschen eine Herausforderung für die Gelenke dar, die diese mitunter bis an den Grad der Endbelastung fordern.“ Ausdauersportarten wie Radfahren oder Schwimmen sind die bessere Wahl, um lange fit zu bleiben. „Dabei ist immer auch entscheidend, von welchem Ausgangsniveau jemand kommt. Und der Sport sollte zu Leben und Persönlichkeit passen. Macht er keinen Spaß, hat es sich bald wieder damit.“ Wer dabei bleiben will und es vertragen kann, sollte sich Sportpartner suchen – privat oder auch im Verein. Auch Fitnessarmbänder mit Schrittzähler können motivieren. „Es geht darum, Bewegungsabläufe  bewusst wahrzunehmen und ein sicheres Körper- und Gleichgewichtsgefühl zu bekommen“, fügt Wimmer hinzu.

Liegt bereits eine Schädigung vor – zum Beispiel an Knie oder Schulter, zweien der komplexesten Gelenke des Körpers  –  sollte der Gang zum Arzt nicht unnötig aufgeschoben werden. Schonhaltungen führen zu Probleme in anderen Gelenken, weil sie dadurch um so mehr belastet werden. Und auch rezeptfreie Schmerzmittel wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) – etwa Ibuprofen – können nicht auf Dauer nach eigenem Gutdünken eingenommen werden, ohne innere Organe wie die Nieren zu schädigen. Überdies ist die Angst  vieler Menschen, vom Arzt umgehend „zur Operation „abkommandiert“ zu werden, unbegründet. „Bei der Behandlung von Gelenkbeschwerden gilt bei uns der Grundsatz »konservativ vor operativ«“, erklärt Wirtz. „Bevor wir Chirurgen das Skalpell ansetzen, sollten alle anderen Optionen ausgeschöpft worden sein.“

Und davon gibt es einige, wie Randau erläutert. „Physiotherapie ist einer der wichtigsten Bausteine in der Behandlung degenerativer und entzündlicher Gelenkerkrankungen. Sie hat einiges mit dem Unterricht beim Lernen eines Instruments gemeinsam.“ Heißt: Es zu üben und zu beherrschen, liegt bei Patientin oder Patient selbst.

Das Spektrum gelenk-erhaltender Therapie umfasst unter anderem Injektionen, beispielsweise mit Hyaluoronsäure, mit Cortison oder auch als Eigenbluttherapie, die in Sehnen und Gelenken eine lokale Imunreaktion anstoßen und regenerative Prozesse anregen kann.

„Hyaluronsäure ist ein natürlicher Bestandteil, der die Gelenkflüssigkeit ölig und klebrig macht“, beschreibt Randau. „Bei beginnendem Gelenkverschleiß kann man es dadurch von innen wieder gängiger machen.“ Dadurch lässt sich eine Linderung erreichen, jedoch keine Heilung. Und die Behandlungskosten müssen in der Regel selbst getragen werden.

Wenn aber eine Patientin oder ein Patient starke Beschwerden hat, unter den Bewegungseinschränkungen im Alltag schon sehr leidet und konservative Therapien keine entscheidende Besserung mehr bringen werden, ist es an der Zeit, über einen Gelenk-Ersatz nachzudenken. „Auch, um sekundäre Schäden zu vermeiden, die aus der Bewegungseinschränkung entstehen“, wie Randau hervorhebt. „Harte Altersgrenzen gibt es für diese Eingriffe inzwischen nicht mehr. Denn maßgeblich ist dabei nicht so sehr das numerische, sondern vielmehr das biologische Alter.“

Doch nicht alles ist bei jedem machbar. So kann ein Knorpelschaden schon so weit fortgeschritten sein, dass sich das Gelenk tatsächlich nur noch austauschen lässt. In einem anderen Fall kann die Rotatorenmanschette – eine Sehnenplatte, die vier Muskeln vom Schulterblatt mit dem Oberarmkopf verbindet und dabei zur Stabilisierung und zur Beweglichkeit des Gelenks dient – schon stark mit Fett durchwachsen sein. Oder Sehnen haben sich in Narbengewebe umgewandelt.

„Auch ein funktionstüchtiger Ersatz, der durch konsequente Physiotherapie optimal benutzt wird, wird nicht dieselbe Endgradigkeit erreichen wie das eigene Gelenk“, zieht Wirtz Bilanz. „Deshalb sollten wir das, was wir haben, gut behandeln. Das heißt nicht, es vorsichtig auf die Couch zu lagern, sondern vielmehr die Gelenke in Bewegung zu halten – gleichmäßig und mit Augenmaß, aber vor allem kontinuierlich.“

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