Druck kehrt an die Uni Bonn zurück 500 Jahre altes Buch verschwand vermutlich mit krimineller Absicht

Bonn · Die Universität Bonn wusste nicht einmal, dass ihr das fast 500 Jahre alte Buch „Summa Azonis“ - eine Auslegung des Römischen Rechts - geklaut worden war. Jetzt ist das Schätzchen wieder zuhause.

 Die „Summa Azonis“ des Azo Portius, gedruckt vor 497 Jahren, ist ins Institut für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte der Universität Bonn zurückgekehrt.

Die „Summa Azonis“ des Azo Portius, gedruckt vor 497 Jahren, ist ins Institut für Römisches Recht und Vergleichende Rechtsgeschichte der Universität Bonn zurückgekehrt.

Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn

Dass angehende Juristen gegenseitig die relevanten Fachbücher und Rechtskommentare voreinander verstecken, war im Jurastudium über Generationen hinweg eine gern gepflegte Gemeinheit. Wohl eher kriminelle Absicht dürfte aber hinter dem Verschwinden eines wertvollen Frühdrucks zum Römischen Recht aus den Buchbeständen der Bonner Universität stecken, das erst jetzt nach vielen Jahrzehnten ein glückliches Ende genommen hat.

Institutsbibliothekarin Doris Gassen nahm den vermutlich gestohlenen Band aus dem Jahr 1523 fast ohne Schäden entgegen, nachdem er einem Auktionshaus angeboten worden war. Nur der Einband soll aus Institutsmitteln behutsam restauriert werden.

Kriminalistischer Spürsinn war gefragt

Die „Summa Azonis“ ist eine rechtstheoretische Abhandlung aus dem frühen 13. Jahrhundert, verfasst von Azo Portius (siehe Infokasten). Dass mit dem Buch etwas nicht stimmte, war einem aufmerksamen Mitarbeiter des Auktionshauses schnell aufgefallen. Sorgsam waren die Stempel im Bucheinband und auf den ersten Seiten rasiert und überklebt worden.

Bei der Rekonstruktion zeigte sich, dass die Bonner Universität womöglich der rechtmäßige Besitzer sein konnte. Ein Beweis allerdings war das noch nicht – zumal das Buch in Bonn gar nicht vermisst wurde: Es tauchte in keinem der aktuellen Bestandskataloge auf.

Kriminalistischer Spürsinn war gefragt. Carl Erich Kesper nahm die Fährte auf. Der Bibliothekar im Fachbereich Rechtswissenschaft holte alte Zugangsbücher aus dem Magazin – und wurde fündig.

Unter den Ankäufen des Jahres 1963, in der Aufbauphase des Instituts für Vergleichende Rechtsgeschichte, fand sich eine Eintragung über den Ankauf. Jemand muss das Buch später ausgeliehen und nicht wieder abgegeben haben.

Klaute der Dieb noch weitere Bücher? Das kann niemand mehr sagen

Als das Institut Jahre später mit dem Institut für Römisches Recht fusionierte, fiel das fehlende Buch bei der Neukatalogisierung unter den Teppich. Wie es dazu kam und ob bei dieser Gelegenheit auch andere Raritäten abhanden kamen, lässt sich nach Aussage der Beteiligten heute nicht mehr rekonstruieren.

„Für die Forschung ist die Summensammlung des Azo von sehr großem Wert“, sagt Professor  Martin Schermaier als Geschäftsführender Instituts-Direktor. Azos Rechtskommentar sei schließlich das wichtigste Bindeglied aus der Zeit des 11. und 12. Jahrhunderts zu den großen Handbüchern des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit.

Azo Portius’ Kommentare zum Römischen Recht waren vor allem für italienische Kaufleute wichtig, weil sie ihnen eine vom kanonischen (also kirchlichen) und lokalen Recht unabhängige und spezialisierte Rechtsgrundlage boten.

Heutige Studenten sind womöglich weniger begeistert über die Rückkehr der Rarität. Das auf Latein verfasste Buch sei in seiner frühen Druckschrift und mit vielen Abkürzungen eine „harte Nuss“ und verlange einiges an Übung, erklärt Schermaier. In Zukunft wird das Institut, dessen Sammlung zum Römischen Recht als eine der besten in Europa gilt, jedenfalls besser aufpassen, dass es nicht noch einmal jemand zu vertieften Studien mitgehen lässt.

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