Protein-Veränderung Forscher entdecken mögliche Ursache männlicher Unfruchtbarkeit

Bonn · Bonner Molekularbiologen am Forschungszentrum caesar identifizieren eine fehlende Protein-Veränderung als mögliche Ursache männlicher Unfruchtbarkeit.

 Alle auf dem Weg zum gleichen Ziel: Spermien und eine Eizelle. Foto: DPA

Alle auf dem Weg zum gleichen Ziel: Spermien und eine Eizelle. Foto: DPA

Wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt, dann liegt es in mehr als jedem zweiten Fall am Erzeuger in spe. Daher wollen Wissenschaftler seit Langem genau verstehen, wie Spermien den weiten Weg bis zur weiblichen Eizelle hinter sich bringen – und woran sie scheitern. Ein weiterer Lösungsansatz kommt jetzt aus Bonn.

Dr. Luis Alvarez aus der Forschungsgruppe von Dr. Monika Scholz zum „Neuronalen Informationsfluss“ am Bonner Forschungszentrum caesar und Kollegen am Institut Curie in Paris, dem Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden sowie weiteren Forschungseinrichtungen konnten bei der Suche jetzt eine fehlende Veränderung des Proteins Tubulin als Ursache ausfindig machen.

Durch Versuche an genetisch veränderten Mäusen fand das Team heraus, dass die Samenzellen der Tiere sich nicht wie erforderlich geradeaus bewegen, sondern vielmehr im Kreis schwimmen. Was bei Mäusen nur die (insgesamt sehr hohe) Fruchtbarkeit herabsetzt, könnte beim Menschen zur Unfruchtbarkeit führen, glauben die Wissenschaftler.

Schon seit über 200 Jahren ist bekannt, dass Spermien sich mit einer Art Schwanzfortsatz bewegen. Allerdings schlängeln sie mit dieser Geißel nicht aalgleich hin und her, wie man lange dachte. Neue Untersuchungen unter dem 3 D-Mikroskop haben enthüllt, dass die Geißel schief ist und sich stets nur in eine Richtung zusammenkrümmt.

Spermium dreht sich kontinuierlich um sich selbst

Damit das Spermium dadurch nicht nur im Kreis trudelt, dreht es sich kontinuierlich um sich selbst. Darum sieht es bei zweidimensionaler Betrachtung lediglich so aus, als schlage die Geißel symmetrisch hin und her. Ungeklärt blieb bislang, was die Geißel überhaupt zur gleichförmigen Bewegung befähigt. Gebildet wird sie durch das Protein Tubulin. Es verbindet sich zu winzigen Röhrchen, sogenannten Mikrotubuli. Diese Röhrchen sind das Baumaterial für das Gerüst aller Zellen mit Zellkern, wie sie Tiere, Pflanzen und Pilze aufweisen – im Gegensatz zu kernlosen Bakterien und Archaeen (früher „Urbakterien“ genannt).

Die meisten Zellen verfügen zudem für verschiedene Funktionen über antennenartige Fortsätze wie Zilien und Geißeln. Beim Spermium ist diese Struktur sehr speziell. Zehntausende winziger Motoren, sogenannte Dyneine, biegen die Mikrotubuli rhythmisch im Gleichklang und lassen die Geißel damit regelmäßig zu einer Seite schlagen.

Das alles funktioniert aber offenbar nur, wenn das Protein Tubulin vorher zur Bildung der Samenzellen auf eine spezielle Weise modifiziert wurde. Die Wissenschaftler sprechen von „Glycilierung“. Bleibt diese aus, koordinieren sich die Dyneine nicht richtig und die Geißel schlägt unregelmäßig oder unvollständig aus.

„Unsere Ergebnisse liefern den direkten Beweis, dass Mikrotubuli eine aktive Rolle bei der Regulierung grundlegender biologischer Prozesse spielen, ermöglicht durch einen Code von Tubulin-Modifikationen“, freut sich Luis Alvarez. Aber dabei bleibe es nicht, erklärt der Wissenschaftler.

Da die Spermiengeißeln nur eine von vielen Zilien-Arten im Körper seien, erwarte man eine ähnliche tubulin-kodierte Regulation nun auch bei anderen Zilien-bezogenen Funktionen. Alvarez sagt: „Daher ermöglicht unsere Arbeit ein tieferes Verständnis verschiedener Krankheiten, wie Entwicklungsstörungen, Krebs, Nierenerkrankungen oder Atem- und Sehstörungen.“

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