Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Zentrum für Versöhnungsforschung nimmt Arbeit in Bonn auf

Bonn · An der Uni Bonn hat das neue interdisziplinäre Zentrum für Versöhnungsforschung seine Arbeit aufgenommen. Vier Fakultäten sind beteiligt

 Das Hauptgebäude der Universität.

Das Hauptgebäude der Universität.

Foto: dpa/Volker Lannert

Bonn besitzt seit diesem Sommer an seiner Universität ein in der Philosophischen Fakultät verankertes, aber interdisziplinär aufgestelltes Zentrum für Versöhnungsforschung. Das bedeutet: Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen analysieren entsprechende Prozesse unter soziologischen, kulturanthropologischen, historischen, theologischen, philologischen, philosophischen sowie literatur-, medien-, rechts- und politikwissenschaftlichen Perspektiven.

Zum Sprecher des Zentrums wurde der Soziologe Professor Hans-Georg Soeffner gewählt. Geschäftsführerin ist Esther Gardei, Mitarbeiterin am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie.

„Nicht nur die interdisziplinäre und internationale Zusammensetzung, sondern auch der empirisch-theoretische Zugang des Zentrums zur Versöhnungsforschung sind deutschlandweit einmalig“, erklärt Professor Soeffner.

Bei der offiziellen Eröffnungsveranstaltung betonte er denn auch, dass das Thema Versöhnungsarbeit angesichts der aktuellen weltweiten, aber auch inländischen Krisen und Konflikte nicht zufällig so prominent behandelt werden müsse.

„Versöhnungsforschung ist dann nötig, wenn Konflikte aufbrechen und Gesellschaften und Individuen bedrohen“, sagte Soeffner auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Fundamentalismen jeglicher Art führten im Ergebnis nur zu Unversöhnlichkeit, bedauerte er und führte als Beispiel Wladimir Putins ablehnende Reaktion auf jede Art von Vertragslösungen an.

Wenn Versöhnung schiefläuft: Erinnerungsarbeit kann neue Feindschaften schaffen

„Das Thema ist topaktuell“, sagt auch Geschäftsführerin Gardei, die selbst unter anderem zur tragischen Geschichte der bis 1941 auf dem Gelände des heutigen Juridicums betriebenen Bonner Jüdischen Volksschule forscht. Bei der Eröffnung der Feier stellte sie als Redner Professor Moshe Zimmermann von der Hebrew University in Jerusalem als einen der Pioniere der Antisemitismusforschung vor.

Zimmermanns Eltern waren einst vor den Nazis von Hamburg nach Palästina geflohen. In seinem Vortrag über „Erbfeindschaft, Erinnerung, Versöhnung“ warnte Zimmermann am Beispiel des Nahost-Konflikts eindringlich davor, dass Erinnerungsarbeit (auch gut gemeinte) alternative Konflikte hervorrufen und damit den Weg für neue Feindschaften frei machen könnten.

Unter den 120 Eröffnungsgästen zeigten sich Studenten wie Lehrkräfte sehr beeindruckt, aber trotz des eher pessimistischen Ausblicks („dass der Mensch offensichtlich immer einen Feind braucht, um sich abzugrenzen“, so eine Zuhörerin) noch mehr angespornt, den langwierigen, schweren Weg der Versöhnung zu analysieren.

Derzeit sind vier Fakultäten am Zentrum beteiligt: neben der  Philosophischen die Evangelisch- und die Katholisch-Theologische Fakultät sowie die Rechts- und Staatswissenschaft. Dazu kommen der Exzellenzcluster Bonn Center for Dependency and Slavery Studies und das Zentrum für historische Friedensforschung, das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik, das Bonn International Centre for Conflict Studies und das Kulturwissenschaftliche Institut Essen. Kooperationspartner sind der Deutsche Akademische Austauschdienst in Israel und Japan sowie ein Forschungsinstitut der Universität Lima.

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