Hochschulbibliotheken in Bonn und der Region Zwischen analog und digital

BONN · Im Gegensatz zu Buchhandlungen, die immer mehr aus dem Stadtbild verschwinden, herrscht in den Bibliotheken der Hochschulen großer Andrang trotz Digitalisierung. Die Einrichtungen müssen mit der Zeit gehen.

 Studierende der Uni Bonn in der Universitätsbibliothek.

Studierende der Uni Bonn in der Universitätsbibliothek.

Foto: Frank Homann

Viele Traditionsunternehmen, die über Jahrzehnte das Bonner Stadtbild prägten, mussten in den vergangenen Jahren ihre Pforten schließen. Davon immer wieder betroffen: Buchhandlungen. Es ist der traurige Beweis dafür, dass sich die Buchbranche im Umbruch befindet. Ein Wandel, der auch in der zunehmenden Digitalisierung von Büchern begründet liegt. Der Trend geht weg von gebundenen Papierausgaben und hin zum E-Book. Die elektronische Ausgabe ist praktisch: Sie spart Platz. Sie nimmt dem Buch jedoch ein wesentliches Merkmal: die Haptik. Veränderungen wie diese sind auch für die Bibliotheken der Stadt spürbar – Auswirkungen auf ihre Beliebtheit haben jedoch sie nicht.

„Der reale Lernort Bibliothek ist lebendiger denn je. Noch nie gab es mehr Bibliotheksbenutzer als heute“, sagt Dr. Armin Ehrhardt, Direktor der Hochschul- und Kreisbibliothek Bonn-Rhein-Sieg. In den vergangenen zehn Jahren hätten sich die Nutzerzahlen nahezu verdoppelt. Dies sei vor allem auf das Mehr an Studenten zurückzuführen. Aber nicht nur: Auch die Anzahl der aktiven externen Nutzer sei im gleichen Zeitraum um 40 Prozent gestiegen. Vor allem vor den Prüfungen deckten die vorhandenen Arbeitsplätze nicht die tatsächliche Nachfrage ab.

Ein Umstand, den auch die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Bonn kennt. So kommt es vor, dass der Zugang zu Arbeitsplätzen wegen zu hoher Auslastung vor und während der Prüfungsphasen auf Universitäts-angehörige und Stadtnutzer beschränkt werden muss.

„Die Zahl der Bibliotheksbesuche, der Informationsanfragen und der Zugriff auf die von der Bibliothek lizenzierten digitalen Inhalte steigt stetig“, sagt Dr. Renate Vogt, Leiterin der ULB. Hingegen gehe die Ausleihe von Büchern kontinuierlich zurück. Die Gründe dafür seien vielfältig. „Mit den Bachelor-Studiengängen haben sich anscheinend die Anforderungen an das Lesepensum verändert. Studienrelevante Texte werden teilweise über die Lernplattform zur Verfügung gestellt“, sagt sie. Außerdem würden Lehrbücher über die ULB in elektronischer Form lizensiert.

Auch die Hochschul- und Kreisbibliothek Bonn-Rhein-Sieg geht mit dem Trend: 100.000 E-Books und 17.000 E-Journals hat sie derzeit im Bestand, Tendenz steigend. „Das Wachstum in diesem Bereich ist kein Ziel, sondern eine Reaktion auf die Nachfrage“, sagt Ehrhardt. Es resultiere aus den steigenden Zugriffszahlen auf die elektronischen Medien. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, durch den Kauf von E-Medien-Paketen, die es im gedruckten Bereich in dieser Form nicht gebe, das Titelangebot und damit die inhaltliche Breite der angebotenen Informationsmedien deutlich auszuweiten.

Eine Digitalisierung von gedruckten Werken führt die Bibliothek jedoch nicht durch. Anders die ULB: Derzeit befinden sich rund 4000 digitalisierte Bücher in der digitalen Sammlung, ein Großteil davon Drucke aus eigenem historischen Altbestand. Der Grund: Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Erst dann könnten Bibliotheken ohne weitere Formalitäten und Kosten die Retro-Digitalisierung gedruckter Werke in Angriff nehmen. „Insofern profitieren bisher vor allem historisch orientierte Fächer“, sagt Vogt. Bücher aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts müssten vorerst weiter in analoger Form genutzt werden.

„Tatsache ist, dass Bibliotheksbenutzung heute nicht mehr nur vor Ort geschieht, sondern auch durch Nutzung der Bibliotheks-ressourcen von Zuhause aus“, sagt Ehrhardt. Hochwertige Informationsressourcen seien nur in Ausnahmefällen kostenlos im Internet verfügbar. In der Mehrzahl der Fälle brauche es eine Institution, die die Zugriffsrechte für ihre Nutzer erwerbe sowie den Zugriff organisiere und bereitstelle.

Das klassische Bild der Bibliothek hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Längst schon ist sie realer und virtueller Lernort gleichermaßen – und somit eine Institution, die sich dem digitalisierten Zeitalter anpasst.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Hilfe für Start-ups aus der Hochschule
Wenn Forschende und Studierende zu Gründern werden wollen Hilfe für Start-ups aus der Hochschule
Zum Thema
Aus dem Ressort