Neue Bücher zu Theodor Fontane Apotheker. Autor. Antisemit?

Ein Jahr lang ist eine wahre Bücherflut zu Theodor Fontanes 200. Geburtstag erschienen. Ein Rückblick auf einige lesenswerte Werke.

   Auf Schloss Ribbeck in Ribbeck im Havelland   eine Büste des Meisters im Museum stand:  Erinnerung an Theodor Fontane am Schauplatz eines seiner bekanntesten Werke.

Auf Schloss Ribbeck in Ribbeck im Havelland eine Büste des Meisters im Museum stand: Erinnerung an Theodor Fontane am Schauplatz eines seiner bekanntesten Werke.

Foto: picture alliance / dpa-tmn/Nina C. Zimmermann

Er wird als Henri Théodore Fontane in Neuruppin als Sohn des Apothekers Louis Henri Fontane und seiner Ehefrau Emilie geboren. Die Eltern waren hugenottischer Herkunft. Anlässlich seines 200. Geburtstags sind zahlreiche neue Lebensdarstellungen und Werkdeutungen erschienen. Das Gedenken begann (wie heutzutage leider üblich) schon Monate vor dem eigentlichen Geburtstag. Weil der erst am 30. Dezember gewesen ist, lohnt jetzt, da die Erinnerungshektik abflaut, eine Bilanz über einige lesenswerte Bücher über den großen Journalisten, Reiseliteraten und Romancier.

Eine der herausragenden Neuerscheinungen ist zweifellos die große Biografie „Theodor Fontane“ von Regina Dieterle. Auf der Basis jahrelanger Recherchen und Forschungsaufenthalten in Berlin und Brandenburg erzählt die Autorin das Leben des Apothekers, Journalisten und Familienmenschen Fontane. Sie schildert, wie all die Facetten seines produktiven Lebens in seine großen Romane eingegangen sind, seien es „Effi Briest“, „Der Stechlin“ oder „Irrungen, Wirrungen“. Sie beleuchtet dabei nicht nur sein Leben, sondern auch sein journalistisches und schriftstellerisches Werk.

Dieterle analysiert dezidiert und mit großem erzählerischem Geschick, warum gerade die Kriegsbücher einen großen Raum neben den Romanen einnehmen, denn die Bismarck‘schen Kriegsjahre haben Leben und Schreiben Fontanes bestimmt. Durch die wechselseitigen Perspektiven auf die Arbeitsweisen des Autors werden die engen Verbindungen des journalistischen und literarischen Werks sichtbar gemacht. In den vielen Wechselfällen seines Lebens und seiner risikobereiten Entscheidung, den Beruf als Apotheker aufzugeben und allein als Autor sein Geld zu verdienen, stand dabei Fontanes Ehefrau Emilie fest an seiner Seite und „gab ihm Halt“, wie seine Biographin an zahllosen dramatischen Lebensereignissen festhält. (Hanser, 832 S., 34 Euro)

Regina Dieterle hat zudem ein weiteres Fontane-Porträt vorgelegt: In ihrem neu aufgelegten Buch „Die Tochter – Das Leben der Martha Fontane“ zeichnet sie ein fragiles Frauenleben der Zeit: der Liebling des Vaters, ein begabtes Kind, das bald zu seinem „Angstkind“ wird. Gleichzeitig entwirft die Biografie ein genaues Bild der Bismarckzeit, in der eine kapriziöse und sensible Tochter zur „Vatertochter“ stilisiert wurde und letztlich an ihrer Rolle und an ihrem Leben zerbrechen sollte. Das literarische Alter Ego der Tochter findet sich in Fontanes Roman „Frau Jenny Treibel“. (Hanser, 438 S., 26 Euro)

Auch Dagmar von Gersdorff, die große Biografin berühmter Gestalten der Goethezeit, hat sich des Lebens der Tochter Martha in ihrem empfehlenswerten Buch „Vaters Tochter – Theodor Fontane und seine Tochter Mete“ angenommen. Mete wird als kluge und selbstbewusste Frau geschildert. Im Alter von zehn Jahren wurde sie bereits nach London geschickt, um dort die englische Sprache zu erlernen. Sie wurde Hauslehrerin und reiste alsbald mit einer reichen Familie durch Frankreich und Italien. Einen Bräutigam fand sie erst spät, er war wohlhabend und ein Freund des Vaters. Sie blieb auch bei dieser Wahl dem Vater verbunden. Mit 56 Jahren beging Mete nach dem Tod des Ehemannes, den sie aufopferungsvoll bis zuletzt gepflegt hatte, Suizid. Ein Nachruf auf sie stammt vermutlich von ihrem älteren Bruder Theo. Das Glück hatte sie in ihrem Leben nicht finden können. (Insel, 197 S., 18 Euro)

Der Berliner Germanist Hans Dieter Zimmermann beschreibt in seiner Lebens- und Werkmonographie „Theodor Fontane – Der Romancier Preußens“, wie Theodor Fontane auf dem Weg war, ein „verkrachter Apotheker“ zu werden. Er erzählt ein Leben nach, das Fontane mit allen Klassen und Schichten der preußischen Gesellschaft in Berührung brachte und reich an harten Lebenserfahrungen war. Dabei widmet Zimmermann sich nicht nur dem dichterischen Werk, sondern mit gleicher Aufmerksamkeit den Reiseberichten, Kriegstagebüchern, Theaterkritiken und den Briefen des bedeutenden Realisten der deutschen Literatur. Das Buch weist zahlreiche detaillierte Inhaltsangaben der Romane und Werke auf; es notiert, wie Fontane von früh an Plots für seine späteren Romanhandlungen sammelte. So sehr das Werk aber durch den Detailreichtum der Darstellung des Fontane-Kosmos glänzt – zuweilen hätte man sich als Leser doch ein wenig mehr kritische Distanz des Autors zu den politischen und gesellschaftlichen Geschehnissen von damals gewünscht, zum Beispiel der Revolution von 1848/49 und Fontanes Einstellung hierzu. (C.H.Beck, 458 S., 28 Euro)

In diesem Kontext ist die Studie „Realismus, Redevielfalt, Ressentiment“ von Norbert Mecklenburg von höchster Relevanz, die sich unter anderem mit dem Antisemitismus Fontanes beschäftigt, der leider in den meisten Darstellungen zu Fontane entweder ignoriert oder heruntergespielt wird. Diese „antisemitischen Impulse“, sagt Mecklenburg zu seinem Buch in einem Beitrag zum „Pankower Waisenhausgespräch“ im Oktober, „sind keine bedauerlichen Ausrutscher, sondern häufen sich gerade in den Jahren und Werken, in denen der Autor auf den Höhepunkt seiner Kunst gelangte.“

Weiterhin heißt es über die Umsetzung dieser „Impulse“ in Literatur: „Auch daran zeigt sich seine meisterhafte Erzählkunst als eine Kunst der „Finessen“, das heißt der Indirektheit, der Anspielung, des Versteckspiels. In seinen Erzählwerken lassen sich, im Unterschied zu Gedichten, antisemitische Impulse allerdings niemals als direkte Meinungskundgaben des Autors, vielmehr immer nur indirekt an der Darstellung jüdischer Figuren und an Äußerungen von Figuren über Juden beobachten.“ Antisemisch sind diese Impulse, die einer negativen Einstellung gegenüber „den“ Juden entspringen. (J. B. Metzler, 313 S., 29,99 Euro)

Zum Abschluss sei noch auf eine bibliophile Neuauflage des Fontane-Romans „Ein weites Feld“ von Günter Grass hingewiesen, der mit einem Vorwort von Daniel Kehlmann und zahlreichen Lithographien des Autors versehen ist. Eine erneute Lektüre dieses Romans, der in Berlin zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung spielt und ein Panorama der deutschen Geschichte von der Revolution 1848/49 bis zur Wiedervereinigung entwirft, und dessen Protagonist Theo Wuttke sich mit Theodor Fontane identifiziert, ist auch 25 Jahre nach Erstveröffentlichung immer noch sehr zu empfehlen. (Steidl, 448 S., 38 Euro)

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