Paläontologe der Universität Bonn Bislang ältester Beleg für Metamorphose bei Insekten entdeckt

BONN · Bei einer großen Untersuchung eines internationalen Forscherteams zu Insektenfossilien aus dem Karbon entdeckte ein Paläontologe der Universität Bonn auf einem Tonstein aus der früheren Kohlezeche Piesberg bei Osnabrück das bislang älteste Fossil einer Insektenlarve.

 Eine Nachtfalter-Raupe der Amper-Eulen-Art (Acronicta rumicis) auf einem Maisfeld.

Eine Nachtfalter-Raupe der Amper-Eulen-Art (Acronicta rumicis) auf einem Maisfeld.

Foto: dpa

Damit muss die Entstehung der Komplettumwandlung, also Metamorphose, von Insekten um rund 45 Millionen Jahre auf 315 Millionen Jahre vordatiert werden. Die Ergebnisse werden laut der Uni Bonn jetzt im renommierten Fachjournal "Nature" beschrieben.

Die Entdeckung ist nur wenige Millimeter groß und auf den ersten Blick unscheinbar. "Sie könnte aber dafür sorgen, dass in paläontologischen Lehrbüchern die Kapitel über die Entwicklung der Insekten umgeschrieben werden müssen", teilt die Uni mit. Das winzige Fossil wird nun im Museum am Schölerberg aufbewahrt.

Vor dem Dunkelgrau der Tonsteinplatte hebt sich eine rostbraune, längliche Struktur ab. Wie der Paläontologe Dr. Torsten Wappler vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität Bonn anhand von dreidimensionalen Aufnahmen unter dem Mikroskop bestimmte, handelt es sich dabei wahrscheinlich um die Larve eines Käfers oder Hautflüglers.

"Die Larve wurde zwar während der Fossilisation leicht flach gedrückt, aber die Merkmale sind gut zu erkennen", berichtet der Privatdozent. Das Exemplar gehöre zu den Holometabolen Insekten, die in ihrer Entwicklung eine vollständige Metamorphose vom Larven- über das Puppenstadium bis zum ausgewachsenen Insekt durchmachen.

Bislang ging die Wissenschaft davon aus, dass in der Evolution die Metamorphose von Hautflüglern vor etwa 270 Millionen Jahren entstanden ist. Die Schichten aus dem Oberkarbon des Piesbergs, aus denen der Tonstein mit der fossilierten Larve stammt, sind aber auf 315 Millionen Jahre datiert. "Deshalb muss die Metamorphose der Hautflügler um mindestens 45 Millionen Jahre vordatiert werden", sagt Wappler.

Bei dem Fund handelt es sich also um das älteste bekannte Zeugnis eines Holometabolen Insekts. Die Wissenschaftler werten die Entdeckung als Glücksfund, denn die weichen und dünnhäutigen Körper von Larven werden im Fossilbericht normalerweise nicht so gut erhalten wie etwa die harten Chitinpanzer der Käfer.

Die Larve ist acht Millimeter lang, der Körper in drei Segmente unterteilt. Die Beinchen sind rundlich - wie beim Michelin-Männchen des französischen Reifenherstellers. "Die genaue Zuordnung ist schwierig", so Wappler. Umfangreiche Vergleiche ergaben, dass es sich um die Larve eines Käfers oder Hautflüglers handelt, zu denen auch die Bienen und Ameisen gehören.

Mehr als Dreiviertel aller Insekten macht eine Metamorphose durch - während der Rest frisst, wächst und sich häutet. Der "Umweg" über Larve und Puppe bietet Vorteile: Letztere lebt als längstes Entwicklungsstadium im Boden und kann dort extreme Umweltbedingungen wie Trockenheit oder Frost besser überdauern. "Außerdem haben Holometabole Insekten bessere Überlebenschancen, weil die Stadien auf unterschiedliche Futterquellen zurückgreifen und dadurch Nahrungsrisiken minimieren", sagt Wappler.

Publikation: The earliest known holometabolous insects, Fachjournal "Nature", DOI: 10.1038/nature12629

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