Nobelpreis für Physik Bonner Physiker forschte an Higgs-Teilchen mit
BONN · 1964 wurde Klaus Desch geboren. Im selben Jahr stellten Francois Englert und Peter Higgs eine Theorie auf, für die ihnen jetzt der Nobelpreis für Physik zugesprochen wurde. Und Klaus Desch, inzwischen 49 Jahre alt, hat dies mitermöglicht.
Denn der Bonner Physiker ist einer von rund 3000 Wissenschaftlern, die im vergangenen Jahr am Europäischen Zentrum für Teilchenphysik Cern in Genf den Beweis erbracht haben, dass das sogenannte Higgs-Teilchen - 1964 noch eine Idee - tatsächlich existiert. In einem 27 Kilometer langen Tunnel schossen sie dafür Milliarden von Teilchen aufeinander.
Wie berichtet, haben Desch und die Bonner Professoren Norbert Wermes, Ian C. Brock und Jochen Dingfelder sowie deren Mitarbeiter als größte deutsche Gruppe in Genf an den Messungen mit dem Großdetektor Atlas mitgewirkt. Der in Bonn maßgeblich entwickelte Pixeldetektor von Atlas ist gewissermaßen eine Lupe für den Urknall. Er sitzt unmittelbar an der Kollisionszone der in dem Teilchenbeschleuniger LHC zusammenprallenden Protonen.
Der Tag der Tage war eigentlich der 4. Juli 2012. Hunderte Physiker lauschen im Cern der Italienerin Fabiola Gianotti. Weltweit 270 000 Menschen verfolgen ihren Vortrag live per Internet. Als klar wird, dass die Forscher am Cern ein Teilchen gefunden haben, das zu den Vorhersagen von Higgs passt, kommen diesem die Tränen.
"Es ist unglaublich: Higgs und Englert haben vor fast 50 Jahren eine Vorhersage gemacht, die nun mit dem größten Experiment der Menschheit bestätigt wurde. Es freut mich, dass die beiden das erleben dürfen", sagt Desch heute, ein gutes Jahr später. Und: Der jetzige Nobelpreis sei irgendwie auch ein Preis für all die Tausenden Physiker, die an dem Beweis für die Higgs-Theorie beteiligt waren, also auch für die Bonner. "Wir empfinden das schon auch als einen Nobelpreis für die Elementarteilchenphysik als Ganzes", sagt Professor Herbert Dreiner, Professor für Theoretische Physik in Bonn. Dass der Preis offiziell an die beiden Theoretiker Higgs und Englert vergeben wird und eben nicht an all die Experimentalphysiker, die sie am Cern bestätigt haben, scheint zumindest in Bonn nicht für Verstimmung zu sorgen. "Das wäre schwierig gewesen, weil es sich um mehrere tausend Kollegen handelt", räumt etwa Professor Dingfelder ein. "Man freut sich über die Sache. Das ist toll für die Teilchenphysik insgesamt."
Bei aller Freude über den Erfolg - die Physiker sind nun bereits mit der Zukunft befasst. "Die nächsten Ziele sind ganz klar, die Eigenschaften des Higgs-Teilchens genau auszumessen", sagt Professor Dreiner. Dies soll ab 2015 am LHC geschehen, das derzeit abgeschaltet ist und verbessert wird. Bislang lief es wegen eines Fehlers beim Einschalten nämlich nur mit halber Kraft, erläutert Desch. "Mit der Entdeckung des Higgs-Teilchens ergeben sich neue Möglichkeiten, den Mikrokosmos zu studieren", sagt er. "Mit dem LHC haben wir ein Werkzeug in der Hand, mit dem man in Regionen vordringt, in die man bisher nicht vordringen konnte." Die nächste, mögliche Stufe ins noch Kleinere könnte dann der Nachweis sein, dass das Higgs-Teilchen in Dunkle Materieteilchen zerfällt. Desch: "Es wäre fantastisch, wenn das mit dem LHC gelänge."
Vorträge
Aus Anlass des Physik-Nobelpreises lädt das Physikalische Institut für kommenden Donnerstag, 19.30 Uhr, in den Wolfgang-Paul-Hörsaal, Kreuzbergweg 28, in Bonn ein. In allgemein verständlichen Vorträgen, so versprechen es die Veranstalter, erklären Professor Herbert Dreiner und Dr. Jürgen Kroseberg die Bedeutung des Higgs-Mechanismus. Der Eintritt ist frei.