Chancen und Risiken der Freiheit

Universität und Fachhochschule begrüßen die in Aussicht gestellte Autonomie - Die Landesregierung verlagert die "Verschlankung" - Die Bonner Alma mater muss aber wahrscheinlich 80 Stellen streichen

Professor Matthias Winiger,  Rektor der Universität Bonn.

Professor Matthias Winiger, Rektor der Universität Bonn.

Foto: Franz Fischer

Bonn. Die Forderung wurde immer wieder erhoben - gebetsmühlenartig und in verschiedensten Gremien: Seit Jahren verlangen die Hochschulen mehr Autonomie, der Staat solle sich aus der Detailsteuerung zurückziehen. In Nordrhein-Westfalen sind die 26 staatlichen Universitäten und Fachhochschulen diesem Schritt zum Greifen nah.

Vergangene Woche stellte Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart in Düsseldorf die Eckpunkte seines neuen "Hochschulfreiheitsgesetzes" vor. Tritt es wie vorgesehen am 1. Januar 2007 in Kraft, kann sich der Minister der weitgehenden Zustimmung der Hochschulen sicher sein.

Als "großen Schritt" wertete es Professor Matthias Winiger, Rektor der Universität Bonn. Das Rektorat begrüße die Gesamtausrichtung ausdrücklich. "Es bringt so viel Freiheit, wie die Hochschulen über die Hochschulrektorenkonferenz immer gefordert haben", sagt auch der Rektor der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, Professor Wulf Fischer. Seine FH ist mit der Uni Köln für ein Modellprojekt zur Rückübereignung der Liegenschaften vorgesehen. Bislang war der Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW für die Bewirtschaftung der Hochschulimmobilien zuständig.

Fischer sieht die Übertragung als Vorteil: "Wir mussten bislang eine Miete für die Nutzung unserer Gebäude überweisen, die teilweise in die Sanierung anderer Hochschulen geflossen ist." Jetzt kämen diese Mittel komplett den eigenen Bauten zugute. Allerdings hält sich der Investitionsbedarf der jungen FH verglichen mit mancher Traditionsuniversität in Grenzen.

Seit Jahresbeginn gilt bereits der Globalhaushalt; dies erlaubt den Hochschulen, selbstständig mit den vom Land zugewiesenen Mitteln zu wirtschaften. "Wir können jetzt Mittel ansparen, das durften wir bislang nicht", berichtet Fischer. Das erleichtere künftig auch dringende Investitionen in Gebäude. Die Uni hingegen ist froh, noch nicht für ihre Immobilien zuständig zu sein. Winiger: "Es wäre fatal, wenn wir unsanierte Liegenschaften zu übernehmen hätten." Deshalb seien die Pilotvorhaben mit der FH und der Uni Köln richtig.

Auch die Universität Bonn verspricht sich vom Globalhaushalt mehr Flexibilität, sieht sich aufgrund der Sparmaßnahmen des Landes aber ebenfalls zu Einschnitten gezwungen - obwohl der Wissenschaftssektor glimpflich davongekommen sei. "Wir haben Einbußen zu verkraften, müssen etwa 80 Stellen streichen und auch längerfristig mit nicht ausgeglichenen Kostensteigerungen rechnen", sagte der Unirektor. Trotz der in Aussicht gestellten Studiengebühren sei das Bildungswesen "deutlich unterfinanziert".

Für die Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg ist klar, dass durch das Mehr an Eigenverantwortung hinsichtlich Finanzen, Personal und Organisationsstrukturen auch neue Aufgaben auf sie zukommen - etwa die Berechnung der Versorgungsbezüge oder tarifrechtliche Vereinbarungen. Denn nach den Plänen des Ministeriums sind die Landesbediensteten künftig ausschließlich Mitarbeiter der Hochschulen. "Das ist zusätzlicher Aufwand, der zu finanzieren und der im Globalhaushalt noch nicht enthalten ist", kritisierte Fischer.

Auch Unirektor Winiger sieht die Gefahr, dass die Verschlankung der Landesregierung auf Kosten der Hochschulen gehen wird: "Das Land zieht sich deutlich zurück, spart erheblich an bürokratischem Aufwand und verlagert diesen zumindest teilweise an die Hochschulen."

Positiv wertete Winiger, dass die Hochschulen künftig auch Dienstherr - sprich Chef über das Personal - sein sollen. "Das bringt uns auch in diesem Bereich mehr Flexibilität", meint Winiger. Die Grundbesoldung der neuberufenen Professoren sei aber knapp bemessen. In der Konkurrenz etwa zu Bayern oder Baden-Württemberg brauche man auch in diesem Punkt mehr Flexibilität, um attraktiv zu sein.

Weiterhin wird das Land über Zielvereinbarungen den Kurs der Hochschulen mitbestimmen. Das sei auch erforderlich, meint der Unirektor. "Etwa dahingehend, in welchen Bereichen NRW eine starke Position erringen will." Allerdings sollte sich das Land von der Detailsteuerung auf diese strategische Verhandlungsebene zurückziehen. "Bei diesen Vereinbarungen kann nicht ausschließlich bedarfsorientiert argumentiert, schon gar nicht die Freiheit von Lehre und Forschung zur Disposition gestellt werden." Nur so ließen sich neue Erkenntnishorizonte entwickeln.

Das Land schreibe voraussichtlich auch weiterhin vor, wieviele Studenten die Hochschulen aufnehmen müssen. "Deshalb sollte man uns hinsichtlich der Ressourcenausstattung dazu auch in die Lage versetzen", sagte Winiger. FH-Rektor Wulf kann nachvollziehen, dass das Land über Zielvereinbarungen eigene Vorstellungen durchsetzen will: "Sonst könnten die Hochschulen hergehen und nur noch kostengünstige Fächer anbieten." Die besonders gefragten Natur- und Ingenieurwissenschaften seien aber kostenintensiv.

Doch so wie die Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg aufgestellt sei, biete das neue Gesetz mehr Chancen als Risiken. Die Universität begrüßt die neu hinzugewonnene Verantwortung ebenfalls. Der Übergang werde aber nicht pannenfrei verlaufen, die Hochschulen müssten voneinander lernen, so Winiger. "Dazu brauchen Staat und Hochschulen hinreichend Zeit - aber auch Planungssicherheit."

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