Den Oberstaatsanwalt im Visier

Wegen Bereicherungsvorwürfen ist Klima zwischen Vertretern der Hochschulmedizin und Anklagebehörden vergiftet - Bonner Fall Biersack

Bonn. Auge um Auge, Zahn um Zahn - nach diesem alttestamentarischen Grundsatz handelt nun Hans-Jürgen Biersack, Chef der Bonner Universitätsklinik für Nuklearmedizin. Der Klinikchef bringt den nordrhein-westfälischen Starankläger für "Abrechnungsbetrug und Heilberufe" Oberstaatsanwalt Herbert Mühlhausen in den Verdacht, sich als Tagungsredner mit saftigem Honorar bei einem privaten Beratungsunternehmen strafwürdig zu bereichern. Im Juristendeutsch klingt der Vorwurf etwas vornehmer: "Einen Vorteil annehmen".

Biersack selbst wird von der Bonner Staatsanwaltschaft nach wie vor wegen Korruption verfolgt, obwohl das Landgericht einen Prozess bereits abgelehnt hat. Statt Preisnachlässe herauszuhandeln, soll Biersack von Lieferfirmen umsatzabhängige Zuwendungen für seine Klinik angenommen haben.

Oberstaatsanwalt Mühlhausen ist am Bonner Rechtsstreit gar nicht direkt beteiligt, hat aber den Anschein eines Drahtziehers im Hintergrund auf sich gezogen. Er leitet von Wuppertal aus die Ermittlungen gegen Firmen, die Professoren angeblich bestochen haben - anders wäre auch Biersack nicht in Verdacht geraten.

Das Klima zwischen Hochschulmedizin einerseits und Anklagebehörden andererseits ist heillos vergiftet, und zwar bundesweit. "Es gibt zwei Tatbestände, bei denen die Staatsanwälte nicht mit sich reden lassen: Das sind Kapitalverbrechen, also Mord und Totschlag, und Chefärzte." Das erklärte dieser Tage der Kölner Strafrechtsprofessor Klaus Bernsmann keineswegs in der Bütt einer verspäteten Karnevalssitzung, sondern vor dem ehrwürdigen "Verein für deutsches und internationales Wissenschaftsrecht".

Das war gewissermaßen die Retourkutsche auf eine Bemerkung, die Mühlhausen vor dem Medizinischen Fakultätentag, der alle deutschen Unikliniken repräsentiert, über die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen Ärzte gemacht hat: "Wer es nicht gewohnt ist, außer vor sich selbst und Gott Rechenschaft abzulegen, erfährt plötzlich, dass auch andere sie zu Recht einfordern."

Der tiefere Grund für den großen Krach ist ein Korruptionsgesetz, das zum Beispiel Bestechung von Auftraggebern in städtischen Bauämtern verhindern soll. Dazu zählen etwa kostenlose Verschönerungsarbeiten einer Firma am Privathaus eines Beamten, der über die Sanierung eines Schulgebäudes entscheidet. Das Gesetz behindert jedoch zugleich und ganz massiv die Zusammenarbeit zwischen Pharma- und Medizintechnikfirmen sowie der Hochschulforschung. So soll Professor Biersack dafür bestraft werden, dass er für Bestellungen zum Marktpreis umsatzabhängige Zuwendungen der Lieferanten auf ein offizielles Unikonto angenommen hat, nicht eigennützig, sondern ausschließlich für die Klinik. Als Chef eines privaten, etwa kirchlichen Krankenhauses hätte er das ohne weiteres gedurft, als Staatsdiener angeblich nicht.

Die zweifelhafte Gesetzeslage war soeben Thema einer geheim gehaltenen Konferenz - Presse unerwünscht - im Bonner Wissenschaftsministerium. Der zuständige Forschungsförderer Peter Lange und andere Regierungsbeamte trafen Vertreter aller medizinischen Fakultäten, Fachanwälte und Repräsentanten beteiligter Verbände, etwa des Deutschen Hochschulverbandes als Standesorganisation der Universitätsprofessoren.

Ergebnis: Die Einwerbung von Fremdmitteln durch Medizinprofessoren muss in einem Gesetz verankert werden, etwa als Dienstpflicht im bevorstehenden Dienstrechtsreform-Gesetz. "Was gesetzlich erlaubt oder vorgeschrieben ist, kann nicht strafbar sein", erläutert Manfred Möhrenschlager vom Bundesjustizministerium dem General-Anzeiger.

"Das Strafrecht ist nicht autonom, sondern zum Beispiel im Umweltbereich mit dem Verwaltungsrecht und seinen Genehmigungen spezifisch abgestimmt. Solche bereichsspezifischen Konkretisierungen erscheinen auch für den Forschungssektor zweckmäßig." Nach Möhrenschlager hat die Bundesregierung das Problem erkannt und arbeitet mittlerweile an einer entsprechenden Lösung.

Der Kölner Strafrechtslehrer Bernsmann empfiehlt den Medizinprofessoren, schon ab sofort, also bereits vor einem neuen Gesetz, bei der Hochschulleitung Genehmigungen für die Fremdmitteleinwerbung zu beantragen.

Bei einem "Ja" sei der Antragsteller persönlich immer auf der sicheren Seite. Diese Genehmigung kann, wie Arwed Franz als Verwaltungsleiter der Bonner Unikliniken zum Fall Biersack bemerkt, praktisch schon darin bestehen, dass die Hochschule durch Verbuchen und Verwenden der Industriegelder die Einwerbung des Professors deckt. Auch ein "Nein" des Rektors zum Genehmigungsantrag kann sehr nützlich sein, erklärt Rechtslehrer Bernsmann. Denn dann müssen die Verwaltungsgerichte entscheiden, und dabei haben die Staatsanwälte nichts zu sagen.

Mit dem Genehmigungsverfahren müsste am Ende sogar Oberstaatsanwalt Mühlhausen seinen Frieden machen können. Immerhin weist er im Gespräch mit dem General-Anzeiger Biersacks Verdächtigung gegen seine lukrative Vortragstätigkeit mit dem Argument zurück: "Ist genehmigt."

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