Der erste Bonner Nahverkehr kam aus Berlin

Für ihre Arbeiten über Verhältnis zwischen Mensch und Tier errangen zwei Bonner Schüler Preise beim "Wettbewerb Deutsche Geschichte" - Ihre Themen waren Bonner Pferdebahn und "Zughunde"

Pferdebahn  und "Zughunde" (unten) wurden von zwei Schülern des Collegium Josephinum unter die Lupe genommen.

Pferdebahn und "Zughunde" (unten) wurden von zwei Schülern des Collegium Josephinum unter die Lupe genommen.

Foto: GA-Archiv/Stadtarchiv

Bonn. Die Pferdebahn im "kaiserlichen Bonn" war nicht das beschauliche Verkehrsmittel nostalgischer Erinnerungen und Anekdötchen. Das mit echten Pferdestärken angetriebene Gefährt verkehrte von 1891 bis 1909 - und wo es im menschlich-tierischen Verhältnis hakte, ist im 257 Seiten dicken Werk von Sebastian Schadow aus Bornheim nachzulesen.

Der 20-jährige Absolvent des Bonner Collegium Josephinum bekam beim "Schüler-Wettbewerb Deutsche Geschichte" der Körber-Stiftung einen mit 1 500 Euro dotierten zweiten Preis. Unter dem Motto "Genutzt - geliebt - getötet. Tiere in unserer Geschichte" gingen rund 7 000 Schüler auf historische Spurensuche: Die Besten erhielten ihre Auszeichnungen in der vergangenen Woche in Berlin aus der Hand von Bundespräsident Johannes Rau.

Das Verhältnis der Pferdebahnkutscher zu ihren "braven" Gäulen sei nicht so gut gewesen wie vielfach berichtet, sagt Sebastian Schadow. Persönliche Beziehungen zwischen Mensch und Tier habe es damals ebenso wenig gegeben wie Tierschutz.

Die auf Schildern als bloße Nummern ausgewiesenen Pferde galten als reines Betriebskapital; schon nach zwei bis drei Jahren des anstrengenden Dienstes waren die Hinterbeine geschunden, in den heißen Sommermonaten starben regelmäßig einige von ihnen den Hitzetod.

Diesen ersten Bonner Nahverkehr betrieben in den Anfangsjahren keine Rheinländer, sondern zwei Berliner Regierungsbaumeister. Prominentester Fahrgast war Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe. Jeder Sonntag verlief nach demselben Zeremoniell: In die Pferdebahn, die gegen 11 Uhr über die Coblenzer Straße (heute Adenauerallee) fuhr, stieg der Prinz in Höhe der Villa Loeschigk "außer Plan" zu und fuhr mit "seiner öffentlichen Equipage" zum Gasthaus "Hähnchen" am Marktplatz. Mit einer Mark - damals viel Geld - bedankte er sich beim Pferdekutscher.

Im Sommer dieses Jahres machte Schadow, von seinen Mitschülern am Bonner Collegium Josephinum scherzhaft "Geschichtsprofessor" genannt, sein Abitur - eins seiner Leistungsfächer war natürlich Geschichte. Zum Wettbewerb hat ihn Lehrer Bernward Fahlbusch motiviert: "Er hat uns gezeigt, dass Geschichte nicht immer nur mit Zahlen, Landkarten, Schlachten und großer Politik zu tun hat, sondern auch die Lebenswirklichkeit von Menschen im Kleinen bestimmt".

Das sagt fast wortgleich sein 19-jähriger Josephinum-Mitschüler Arndt F. Sonneck aus Alfter. Er hat das Preisgericht mit einer Arbeit über "Zughunde" in Bonn zwischen 1900 und 1930 überzeugt und dafür einen vierten Preis und 500 Euro bekommen. Zughunde waren zu Anfang des vorigen Jahrhunderts gewissermaßen das Pferd des kleinen Mannes.

Taglöhnern halfen sie bei der Beförderung ihrer Lasten. Die rund 500 Hundekarrenbesitzer im damaligen Bonn brauchten einen Erlaubnisschein und eine Art Nummernschild, waren aber von der Steuer befreit. Die Gespanne durften nur Schrittempo fahren, lediglich 200 Kilo transportieren und mussten Reitern ausweichen - wer sich nicht daran hielt, kam bisweilen sogar vor Gericht.

Sonneck hat ebenso wie Schadow sein Thema im Stichwortkatalog des Stadtarchivs entdeckt. Mehrere Wochen lang radelten dann beide fast täglich nach der Schule ins Archiv, durchforsteten stoßweise Aktenbündel, wühlten sich durch Sütterlin-Schrift, trugen Bildmaterial und Zeitungsartikel zusammen, sahen Chroniken und Bücher ein. Sonneck hat sogar an der Tierärztlichen Hochschule Hannover recherchiert.

Beide haben auf ihre Weise von der Teilnahme am Wettbewerb profitiert. Schadow weiß jetzt, dass er lange dranbleiben kann und auch unter Druck an einer Arbeit nicht verzweifelt, sondern sie zu Ende bringt. Sonneck glaubt, dass die Auszeichnung durch den Bundespräsidenten bei künftigen Bewerbungen sicherlich hilfreich sein wird. Beide sind nach eigenen Angaben aber keine "Überflieger", sondern "ganz normale" Schüler gewesen. Schadow liest gerne, vorzugsweise Fontane, Heine, Tucholsky und derzeit Hermann Hesses "Unterm Rad".

Sonneck betreibt Schwimmen als Wettkampfsport und trainiert die dritte Mannschaft seines Vereins SC Hardtberg. Beide wollen nach dem Wehrdienst studieren: Schadow Jura, wegen der "nicht allzu guten Zukunftsaussichten" in Geschichte. Sonneck hat sich trotzdem für Geschichte und Politikwissenschaft entschieden - mit dem Ziel, später in einem Medienberuf zu arbeiten. "Geschichtslehrer will ich keinesfalls werden", sagt er.

www.geschichtswettbewerb.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort