„City-Killer“ drohen alle 1000 Jahre Die Gefahr aus dem All

Bonn · Am heutigen Internationalen Asteroiden-Tag soll die Menschheit sich bewusst machen, dass sie von Brocken aus den Tiefen des Alls bedroht wird. Doch in den USA und in Europa fehlt das Geld für eine detaillierte Bestandsaufnahme.

 180 Meter tief und mit einem Durchmesser von 1200 Metern: Der Barringer-Krater in Arizona (USA) ist das Werk eines nur 50 Meter großen Asteroiden, der vor etwa 50.000 Jahren einschlug.

180 Meter tief und mit einem Durchmesser von 1200 Metern: Der Barringer-Krater in Arizona (USA) ist das Werk eines nur 50 Meter großen Asteroiden, der vor etwa 50.000 Jahren einschlug.

Foto: dlr

Kann die Erde von einem Asteroiden getroffen werden? Für Esa-Astronaut Alexander Gerst, der gerade in der Internationalen Raumstation um die Erde rast, ist das die falsche Frage: „Die Frage ist nicht ob, sondern wann.“ Anfang des Monats erinnerte ein Zwei-Meter-Gesteinsbrocken daran, dass die Gefahr aus dem All nicht theoretisch ist. Am Abend des 2. Juni verglühte „2018 LA“ in der Atmosphäre an der Grenze zwischen Botswana und Südafrika – ein sichtbarer Feuerball, der es schwer hatte, in die Schlagzeilen zu kommen, schließlich hatte er keinen Schaden verursacht. Nur acht Stunden zuvor war „2018 LA“ entdeckt worden, da hatte der Asteroid bereits den Mond passiert. Hochrechnungen der Nasa kamen zu einer 85-prozentigen Einschlagswahrscheinlichkeit auf der Erde.

Asterioden-Panik wäre trotzdem verfehlt, aber die prinzipielle Gefahr vor diesen seit Jahrmillionen vagabundierenden Gesteinsbrocken besteht. Es ist der Rest Bauschutt (Planetesimale), der übrig blieb und in unserem Sonnensystem nicht in einem der Planeten oder Monde aufging, sondern auf einsamen Bahnen herumzieht. Der meiste Bauschutt fliegt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Zuweilen kollidieren die Brocken dort untereinander, womit sich ihre Bahnen ändern. Kreuzen Asteroiden die Erdbahn, kann das – je nach Größe des Objekts – eine Sternschnuppe oder eine Katastrophe verursachen.

Wie etwa vor etwa 65 Millionen Jahren, als die Folgen eines Einschlags die Dinosaurier auslöschten und damit eine Herrschaft beendete, die 170 Millionen Jahren gedauert hatte. Der Asteroid hatte, so eine Rekonstruktion, einen Durchmesser von 15 Kilometern. Auch das Nördlinger Ries ist vor 14,6 Millionen Jahren so entstanden, was aber erst 1960 durch das Aufspüren spezieller Minerale beweisbar wurde.

Asteroiden, groß genug für die Zerstörung einer Stadt

Die Größen der ungebetenen Gäste reicht von einigen Millimetern bis etwa 60 Kilometer Durchmesser. Zwar suggeriert der Hollywood-Katastrophenfilm „Armageddon“ (1998) eine permanent gegen heranrasende große Asteroiden kämpfende Menschheit, doch wahrscheinlicher sind andere Einschläge – von Asteroiden, die zu klein sind für eine globale Katastrophe, aber groß genug für die Zerstörung einer Stadt. „City-Killer“ nannte sie einmal Barack Obamas Wissenschaftsberater John Holdren. Von dieser Art war auch jener Brocken, der vor 110 Jahren Sibirien heimsuchte.

Am 30. Juni 1908 kollidiert ein 40-Meter-Geschoss mit der Erde und schießt über Sibirien in die Atmosphäre. Dort explodiert es über weitgehend unbewohntem Gebiet. Das sogenannte Tunguska-Ereignis löst eine Druckwelle aus, die, so spätere Hochrechnungen, bis zu 60 Millionen Bäume wie Streichhölzer knickt. Selbst Reisende in der Transsibirischen Eisenbahn sollen den Knall – rund 500 Kilometer entfernt – noch gehört haben. Manche berichten von bis 14 Explosionen. Endgültig ist das Ereignis nie aufgeklärt worden. Die wahrscheinlichste Ursache: ein Stein-Asteroid. Wäre er etwas größer gewesen und nur wenige Minuten später eingeschlagen, hätte er auf der ständig rotierenden Erde – unverglüht – wahrscheinlich die Millionenstadt Leningrad getroffen.

Weil das grundsätzliche Risiko weiter besteht, haben die Vereinten Nationen im Dezember 2016 den Internationalen Asteroiden-Tag ausgerufen und folgten damit einem Vorschlag des Astrophysikers Brian May, Gitarrist der Rockband Queen, Ende 2014. Mays öffentliche Erklärung haben seitdem mehr als 100 Astronauten, Wissenschaftler, Ingenieure und Künstler unterzeichnet. Jedes Jahr am 30. Juni soll die Menschheit sich bewusst machen, dass sie aus den Tiefen des Alls bedroht wird und die apokalyptischen Science-fiction-Visionen à la Hollywood einen durchaus realen Hintergrund haben. Wenngleich viele Nummern kleiner. Das wurde jetzt auch auf einer Konferenz in Garching deutlich, auf der sich weltweit führende NEO-Experten (NEO/Near-Earth-Objects) austauschten.

Erhebliche Schäden auf einem Gebiet der Größe Deutschlands

Detlef Koschny, Leiter des NEO-Teams der europäischen Weltraumagentur Esa, skizziert den Erkundungsstand: „90 Prozent der Asteroiden, die einen Kilometer und größer sind, haben wir kartiert. Wir wissen genau, wo die großen Brocken sind und dass sie keine Bedrohung darstellen.“ Dummerweise sei es bei Objekten mittlerer Größe genau umgekehrt: „Von den NEOs, die kleiner als ein Kilometer sind, haben wir bisher erst ein Prozent entdeckt und vermessen.“

Faustregel: Je kleiner der Gesteinsbrocken, desto höher die statistische Wahrscheinlichkeit eines Einschlags – ganz einfach deshalb, weil es mehr kleinere Objekte gibt als große. Nach Nasa-Angaben, die seit 2005 im Regierungsauftrag unterwegs ist, waren in der Objektklasse 100 bis 140 Meter Durchmesser etwa 8000 von rund 30.000 Objekten identifiziert. „Träfe ein 100 Meter großer Asteroid die Erde“, sagt Koschny, „würde er in einem Gebiet wie der Größe Deutschlands erhebliche Schäden verursachen.“ Die ungefähre Wahrscheinlichkeit dafür liege bei einem Treffer in 10.000 Jahren. Bei Objekten bis zu 50 Meter Größe steigt die Wahrscheinlichkeit auf einen Einschlag pro 1000 Jahre. Dieses nach kosmischen Maßstäben Mini-Format wäre bereits ein City-Killer.

Suchen, entdecken, berechnen und im Ernstfall mit Raketen reagieren, die Asteroiden ablenken könnten. Pläne dafür existieren bereits. Aktuell sind Amerikaner und Europäer jedoch noch beim Entdecken. Es fehlt an politischem Ehrgeiz und damit Geld für spezielle Teleskope. „Bevor wir konkrete Maßnahmen ergreifen können, um uns gegen NEOs zu verteidigen“, sagt Koschny, „müssen wir sie erst einmal finden.“

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