Die Heilkraft von Schnecken und Spinnen

Eine Ausstellung im Bonner Wissenschaftszentrum zeigt Geschichte und Gegenwart der Homöopathie

Die Heilkraft von Schnecken und Spinnen
Foto: Fischer

Bonn. (piw) Man stelle sich vor, es brennt ein Haus. Die Feuerwehr kommt, und der Hauptmann sagt: "Keine Angst, das lösche ich mit einem Streichholz." Klingt seltsam. Aber genauso arbeitet die Homöopathie, eine alternative Behandlungsmethode in der Medizin. Ebenso seltsam: Das funktioniert.

Eine kleine, aber liebevoll gemachte Ausstellung im Foyer des Wissenschaftszentrums führt jetzt in Geschichte, Hintergründe und Gegenwart der Homöopathie ein. Ausstellungsstücke stammen unter anderem von Bonner Apotheken, vom Mineralogischen Institut der Universität und vom in Bonn ansässigen "Zentralverein homöopathischer Ärzte".

"Similia similibus curentur" war das Leitprinzip des deutschen Arztes Samuel Hahnemann (1755-1843), als er die Homöopathie entwickelte: Ähnliches werde mit Ähnlichem behandelt. Deshalb heißt seine Heilkunde auch Homöopathie (griechisch: "Ähnlichkeits-Behandlung") - anders als die traditionelle Medizin, die "Allopathie" (Gegensatz-Behandlung), die sozusagen Feuer mit Wasser bekämpft und Hund mit Katze.

Hahnemann lehrt, dass von außen verabreichte Materie im menschlichen Körper Abwehrkräfte mobilisiere, um die Wirkung dieses Stoffes zu bekämpfen. Eine Substanz sei deshalb zur Heilung genau der Symptome geeignet, die sie in einem gesunden Körper hervorrufen würde.

Welche das sind, haben Hahnemann und seine Nachfolger in langen Versuchsreihen an gesunden Menschen ausgetestet. Sie bauten dabei auf Naturprodukte von allerlei Art: Pflanzen wie Kamille, Ringelblume und Muskatnuss, Mineralien wie Kupfer, Graphit und Aluminium. Auch tierische Grundstoffe sind in der Ausstellung zu sehen: Homöopathische Arzneien entstehen unter anderem aus Weinbergschnecken, Kreuzspinnen, Skorpionen und Kartoffelkäfern.

Was wie aus dem Zaubertrank-Rezeptbuch eines Harry Potter klingt, muss den Patienten nicht beunruhigen. Alle Zutaten werden in Trägersubstanzen verdünnt: flüssige in Ethanol, feste in "Globuli" genannten, kleinen Milchzucker-Kugeln. Ein Buchstaben-Zahlen-Schlüssel gibt dabei die Stärke der Verdünnung an. C1 bedeutet zum Beispiel eine hundertfache, C2 eine 10 000-fache, C3 eine millionenfache - und so weiter, immer weiter herunter.

Und hier wird es wirklich "zauber"-haft: Ab Stufe C23 ist die Verdünnung so stark, dass statistisch kein einziges Molekül des Wirkstoffes mehr in der Arznei vorhanden ist - aber der Wirkung tut''s keinen Abbruch. Im Tierversuch reagierten Ratten sogar auf Verdünnungen der Stufe C1 000: Ein noch weit geringeres Verhältnis, als wenn ein einzelnes Atom über das gesamte Universum verteilt würde.

Warum das so ist, weiß bis heute niemand. Befürworter der Homöopathie vermuten, bei der Verdünnung würden "geistige Kräfte" der Ausgangssubstanz aktiviert und auf das Medikament übertragen. Gegner der Homoöpathie sprechen (wenn sie nett sind) von einer Art Placebo-Effekt. Wenn sie nicht nett sind, von Scharlatanerie. Sie übersehen dabei allerdings einen wichtigen Grundlagensatz der Medizin: "Wer heilt, hat recht" - wenn eine Arznei wirkt, ist egal, warum sie das tut.

Nach einer Umfrage von 1995 glauben 72 Prozent der deutschen Patienten an die Wirksamkeit der Homöopathie, und acht von zehn Ärzten verschreiben zumindest gelegentlich entsprechende Arzneien.

Sie stehen in guter Tradition: Der "Ähnlichkeits-Behandlung" vertrauten prominente Figuren wie Kaspar Hauser und Ludwig van Beethoven, Johann Wolfgang von Goethe, Annette von Droste-Hülshoff und der Großindustrielle Robert Bosch senior. Er spendete 1915 drei Millionen Reichsmark für den Aufbau eines homöopathischen Krankenhauses - und die Robert-Bosch-Stiftung ist auch einer der Urheber der Bonner Ausstellung.

Wissenschaftszentrum, Ahrstraße 45, bis 5. September. Mo-Fr 8-19, Sa/So 14-18 Uhr. Eintritt frei. Als Begleitbuch (13 Euro) gibt''s den Katalog zur Homöopathie-Schau des Hygienemuseums Dresden von 1996.

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