Bonner Historiker Eigene Edition zum Westfälischen Frieden

BONN · In Sachen Friedensforschung haben die Historiker der Universität erst vor wenigen Jahren für Aufsehen gesorgt: Mit den "Acta Pacis Westphalicae" (Aufzeichnungen zum Westfälischen Frieden) trugen sie nach über 50-jähriger Forschung Dokumente aus vielen europäischen Archiven zum Westfälischen Friedenskongress (1643-1649) zusammen.

Wegweisende Dokumente: Eine historische Karte des Elsass ist in der digitalen Sammlung bereits erfasst.

Wegweisende Dokumente: Eine historische Karte des Elsass ist in der digitalen Sammlung bereits erfasst.

Foto: Axel Vogel

So entstand eine umfassende Edition zu dem für die neuere und neueste Geschichte wegweisenden Frieden von Münster und Osnabrück (1648), erklärt Privatdozent Dr. Guido Braun vom Institut für Geschichtswissenschaft der Hochschule: "Man kann hier von dem Ursprungstyp der europäischen Friedenskongresse sprechen, da fast alle wichtigen Mächte in Europa beteiligt waren."

Bei der Erforschung dieses selbst für Fachleute äußerst komplizierten Friedenswerkes helfen nun die 48 Bände der "Acta Pacis Westphalicae" , in denen auf 32.000 Seiten Korrespondenzen und Protokolle zahlreicher am 30-jährigen Krieg (1618-1648) beteiligter Mächte zusammengetragen, transkribiert und kommentiert wurden. Dass dieses epochale Werk jetzt noch weitere, ungeahnte Forschungsmöglichkeiten eröffnen kann, hat mit einem weiteren Pilotprojekt zu tun: der Digitalisierung zentraler Quellen des Friedensschlusses.

Unter http://apw.digitale-sammlungen.de tut sich künftig für Friedensforscher eine wissenschaftliche Fundgrube auf. Denn egal, ob der Benutzer etwa Dokumente abrufen möchte, in denen der kaiserliche Feldherr Wallenstein ein Rolle spielt, oder ob er sich für historische Karten aus dieser Zeit interessiert (wie etwa eine bereits erfasste Karte des Elsass) - "die Digitalisierung eröffnet viele Möglichkeiten", sagt Fachmann Braun.

Möglich gemacht hat das ein rund 400.000 Euro teures Gemeinschaftsprojekt des neuen Zentrums für Historische Friedensforschung (ZHF) an der Bonner Uni mit der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB). Die Mittel stellte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bereit.

Dabei wurde sogar ein Dienstleister aus Rumänien beauftragt, der tausende in München eingescannte Dokumente für die weitere Bearbeitung in Bonn aufbereitet hat, erklärt Braun. Derweil wurden 40 der 48 "Acta"-Bände digitalisiert und als maschinenlesbarer und durchsuchbarer Volltext im Netz bereitgestellt. Damit lassen sich aber nicht nur Kernbegriffe aus den Friedensakten recherchieren. Großes Potenzial erkennen die Bonner Historiker auch beim Thema vergleichende Friedensgeschichte. Schließlich war der Westfälische Frieden "vorbildlich für Formen und Verfahren des Friedenschließens", sagt Dr. Maria-Elisabeth Brunert vom Zentrum für Historische Friedensforschung (ZHF) der Philosophischen Fakultät.

So dürfte die epochale Bedeutung der Ereignisse in Münster und Osnabrück Wissenschaftler zu Vergleichen mit anderen großen Friedensschlüssen im 19. und 20. Jahrhundert reizen - wie etwa dem Frieden von Versailles von 1919. "Wie funktionieren Kompromisse und Vertragsschlüsse überhaupt?", könnte aus Brauns Sicht eine Fragestellung lauten. Gleichsam lassen sich gescheiterte Friedensprozesse in den Fokus nehmen, um zu erforschen, "was funktioniert hat und was nicht". Gerade im Zeichen aktueller Krisen wie in Syrien oder der Ukraine sei die Frage, wie Frieden entsteht, aktueller denn je.

Gewollte Perspektiven eröffnen die digitalisierten Dokumente aus dem 17. Jahrhundert auch über die Grenzen der Friedensforschung hinaus. Privatdozent Braun verweist dabei etwa auf die Erforschung historischer Sprachstufen: "Es gibt keine Untersuchung zur politischen Akten- und Verwaltungssprache im 17. Jahrhundert. Das ist ein noch völlig unerschlossenes Gebiet."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort