Geologischer Dienst NRW "Ein Beben wie in Italien ist auch am Rhein möglich"

Krefeld · Das Erdbeben von 1992 hat die Gefahr auch für das Rheinland klar gemacht. Deswegen haben Experten permanent ihre Augen auf die aktive Tektonik in der niederrheinischen Bucht gerichtet.

"Es war das größte jemals gemessene Beben nördlich der Alpen", sagt Klaus Lehmann, der Erdbebenfachmann beim Geologischen Dienst NRW in Krefeld. Auch wenn die Angaben über die Stärke zwischen 5,9 und 6,0 schwanken. Das Epizentrum des Erdbebens von 1992 lag bei der Stadt Roermond in den Niederlanden, kurz hinter der Grenze zu Deutschland. "Wie im Krieg" habe es dort nach der Bebennacht ausgesehen, schildert ein Beobachter ein Vierteljahrhundert danach: Die Straßen übersät mit Trümmern, Steinen, Dachziegeln.

Doch es hätte viel, viel schlimmer kommen können. Denn als 1992 die Schockwellen durch die Erde im Rheinland laufen, ist es mitten in der Nacht. Die Straßen sind leer, die Menschen schlafen. Das Beben ereignet sich außerdem in 18 Kilometer Tiefe, die darüber liegenden Schichten dämmen die Erdstöße. "Wir haben hier eine aktive Tektonik. Die rheinische Bucht ist im Untergrund in mehrere Blöcke zerbrochen. In 15, 20, 25 Kilometer Tiefe finden Bewegungen statt, wo sich ein Block gegenüber einem anderen verschiebt", erläutert Klaus-G. Hinzen, Leiter der Erdbebenwarte Bensberg der Kölner Universität.

Die niederrheinische Bucht ist eines der aktivsten Erdbebengebiete Mitteleuropas. Ein Beben von der Stärke wie im italienischen Amatrice im vergangenen Sommer mit einem Wert von 6,5 auf der Richterskala sei auch hier möglich, sagen die Fachleute.

Das Naturereignis von 1992 machte die Gefährdung klar. Die sechs Messstationen des Geologischen Dienstes NRW wurden auf 15 aufgestockt. Die Datenleitung des Erdbebendienstes in Krefeld ist doppelt gesichert. Im Fall eines Bebens werden Epizentrum und Stärke automatisch ermittelt. Die Daten gehen binnen weniger Minuten an das Lagezentrum des Innenministeriums und an die Landesleitstelle der Polizei. Das Ziel ist, Rettungskräfte möglichst schnell ins Epizentrum schicken zu können, wo die größten Schäden zu erwarten sind.

Doch die Forscher staunen immer wieder neu: Im Sommer 2011 überraschte ein Beben der Stärke 4,3 am Niederrhein in Goch bei Kleve. Nie zuvor hatte dort seit Menschengedenken die Erde mit dieser Intensität gewackelt.

"Es war eine kleine Sensation", berichtet Seismologe Lehmann. 1200 Zeugen schickten ausgefüllte Fragebögen an den Erdbebendienst. Erdbebenregionen sind in Deutschland die Schwäbische Alb, der Oberrheingraben und der Niederrhein, die Senke zwischen Bergischem Land und Eifel. "Wir registrieren etwa drei Beben pro Woche", sagt der Fachmann Klaus Lehmann. Er zählt ab einer Stärke von 0,3.

Ein Beben wie das von 1992 könne statistisch gesehen etwa alle 150 Jahre auftreten, sagt er. "Unklar ist, wann es passiert: Es können sich auch in kurzer Zeit mehrere Beben dieser Stärke ereignen mit einer längeren Phase der Ruhe."

Vor dem Roermond-Beben von 1992 hatte es 236 Jahre lang kein Erdbeben dieser Stärke gegeben. Erschütterungen wurden aber auch in dieser Zeitspanne immer wieder gespürt. Im Rheinland ist der Untergrund ständig in Bewegung, sagen die Experten. Auch wenn man es oben meist nicht bemerkt.

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