Eine Bonner Talentschmiede für Europa

Eine Studie zeigt, dass das "Zentrum für Europäische Integrationsforschung" der Bonner Universität den Sprung in eine Karriere in Wirtschaft und Politik ermöglicht

Eine Bonner Talentschmiede für Europa
Foto: Fischer

Bonn. Der Außenminister des Balkanstaates Mazedonien, der dreißigjährige Antonio Milososki, hat sein politisches Handwerk an der Bonner Universität gelernt: am "Zentrum für Europäische Integrationsforschung" (ZEI).

Hier qualifizierte sich der gelernte Jurist vor einigen Jahren zusätzlich zum Master der Europastudien. Dieser Studiengang ist der Dreh- und Angelpunkt des Zentrums, das die Entwicklung der Europäischen Union zudem mit zahlreichen Forschungsprojekten verfolgt.

Milososkis Ausbildung, hofft ZEI-Direktor Ludger Kuehnhardt, kann jetzt bei Mazedoniens Bewerbung um die EU-Mitgliedschaft Früchte tragen. Der rasante Aufstieg Milososkis ist ein Extremfall unter den ZEI-Absolventen, aber keine einmalige Ausnahme. So ist Katharina von Schnurbein, ebenfalls gerade 30 geworden, schon Sprecherin des EU-Kommissars für Soziales in Brüssel.

Patrick Schäfer machte vor zwei Jahren seinen Master, war anschließend Mitarbeiter des einflussreichen Europaabgeordneten Elmar Brok und ist seit diesem Jahr Referent im Berliner Außenministerium. Schäfer hebt besonders hervor: "Heute ist Teamarbeit in internationaler Besetzung gefragt. Und genau das lernt man am ZEI."

Das Bonner Karrieresprungbrett können allerdings nur Auserwählte nutzen. Voraussetzungen sind ein erster Hochschulabschluss, zwei persönliche Empfehlungen von Professoren und gute Kenntnisse im Englischen, der Unterrichtssprache. Regelmäßig bewerben sich für den einjährigen Masterkurs weit über hundert Kandidaten aus aller Welt.

Zum Zuge kommen aber immer nur dreißig, denen die Zukunft Europas besonders am Herzen liegt und durch den Kopf geht. Gut ein Drittel der Teilnehmer erhält regelmäßig Vollstipendien, die für die Gebühren - insgesamt sechseinhalbtausend Euro - und die Lebenshaltung hinreichen. So war der Mazedone Milososki Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.

Die derzeitigen Teilnehmer stammen aus achtzehn Ländern Europas, Asien, Nord- und Südamerika - und sind zu zwei Dritteln Frauen. Eine sagt: "Es ist interessant, wie unterschiedliche Leute aus verschiedenen Ländern und Kulturen Dinge sehen können. Man lernt ganz nebenbei das internationale Verhandeln, und die Stimmung in der Gruppe ist toll."

Das interdisziplinäre Master-Training erstreckt sich auf drei Hauptgebiete: wirtschaftliche und soziale Fragen (Freizügigkeit von Gütern, Dienstleistungen und Personen in der EU), politische, rechtliche und institutionelle Entwicklungen (Erweiterung und Vertiefung der Union) und die grundlegenden Wertesysteme, Kulturen und Sprachen der Gemeinschaft (Einheit in Vielfalt). Das Studium ist aus Lernbausteinen - so genannten Modulen - aufgebaut, deren Inhalte jeweils studienbegleitend geprüft werden.

Dazu kommt noch eine Abschlussarbeit, die in Qualität und Umfang einem wissenschaftlichen Aufsatz entsprechen soll. Die Ausbildung erschöpft sich aber nicht in akademischer Theorie. Ein "Europa-Dialog" mit Regierungspraktikern führt die ZEI-Studenten in die deutsche Hauptstadt und zu EU-Institutionen in Brüssel und anderswo.

Auf das achtmonatige Studienprogramm folgt ein obligatorisches Praktikum von drei Monaten in der Führungsebene von EU- oder UN-Einrichtungen, Regierungsstellen oder Nichtregierungsorganisationen oder bei Weltunternehmen - beste Möglichkeiten zum anschließenden Berufsstart in nationalen und internationalen Spitzenverwaltungen von Politik und Wirtschaft.

Slobodanka Goseva beispielsweise machte ihr Praktikum in der Rechtsabteilung von T-Mobile International in Bonn-Beuel - und ist heute bei T-Mobile Mazedonien für die Umsetzung von Europarecht in der Telekommunikation verantwortlich.

Eine Karrierestudie über die zweihundert Absolventen vom Start 1998 bis 2005 zeigt, dass etwa vier von zehn heute bei internationalen Wirtschaftsunternehmen arbeiten, zum Beispiel bei Banken, Beratungsfirmen wie McKinsey oder bei Medien wie SAT 1.

Dreißig Prozent fanden den Weg in Spitzenverwaltungen ihres Heimatlandes, zum Beispiel das Finanz- oder Wirtschaftsministerium. Fast jeder Fünfte blieb zunächst noch an der Uni, um den Doktor zu machen. So promovierte Außenminister Milososki im vergangenen Sommersemester noch an der Universität Duisburg-Essen.

Zwölf Prozent der ZEI-Master stiegen wie die EU-Sprecherin von Schnurbein gleich in eine internationale Karriere bei politischen Organisationen ein. Lediglich zwei Studierende brachen bislang den Masterkurs vorzeitig ab - eine, weil sie ins Parlament ihres Heimatstaates gewählt wurde.

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