Konzepte zum Umgang mit Flüchtlingen Erst die Sprache, dann das Studium

BONN · Die aktuelle Flüchtlingssituation lässt natürlich auch die Hochschulen in Bonn und der Region nicht unberührt. Deren Möglichkeiten, Asylbewerbern ein Studium zu ermöglichen, sind allerdings äußerst begrenzt.

"Im Vordergrund müssen jetzt humanitäre Hilfsmaßnahmen stehen", sagt Jonas Janoschka, der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses der Uni Bonn. Pressesprecher Andreas Archut spricht noch von einer "Findungsphase". Prorektor Klaus Sandmann sagt dazu: "Die Universität Bonn bereitet sich darauf vor, den Flüchtlingen in Bonn einen hoffnungsvollen Start zu ermöglichen.

Ziel ist es, den Menschen Hilfestellungen und Unterstützung zukommen zu lassen, die ihnen, in einer für sie meist unbekannten Umgebung, neue Perspektiven eröffnet." Die Teilhabe an Bildung sehe man da als zentrale Aufgabe an. "Wir gehen derzeit davon aus, dass zunächst am dringendsten Sprachkurse benötigt werden", sagt Sandmann.

Dabei baue man auf den reichen Erfahrungsschatz auf, den die Uni bereits in der Betreuung von internationalen Gästen und in der interkulturellen Kommunikation hat - sowie der großen Bereitschaft der Studierenden wie der Mitarbeiter, sich für die geflüchteten Menschen zu engagieren.

Ein leuchtendes Vorbild ist bislang die "Initiative für Flüchtlinge Bonn" von Studierenden, die spontan etwa kostenlose Sprachkurse ins Leben gerufen haben. Dafür erhielten sie in diesem Jahr den Bonner Integrationspreis.

Ideenfindungstreffen an der HRBS

Auch bei der Hochschule Bonn-Rhein/Sieg (HRBS) ist man noch nicht so weit, dass konkrete Hilfe angeboten werden kann. Vor kurzem hat allerdings ein Ideenfindungstreffen mit Experten aus der Region stattgefunden, auf das nun Arbeitsgruppen folgen, die konkrete Projekte erarbeiten sollen.

"Die Flüchtlinge haben derzeit aber sicher andere Sorgen als ein Studium", sagt Pressesprecherin Eva Tritschler. "Wichtig ist zunächst, dass sie die Sprache lernen. Da gibt es einige Studierende, die da gerne helfen würden. Unser Sprachenzentrum würde das unterstützen." Was darüber hinaus personell, finanziell und juristisch möglich ist, soll nun schnellstens konkretisiert werden. "Wir unterstützen Flüchtlinge aber jetzt schon gerne.

Wer in der Region seinen Platz gefunden und eine Hochschulzugangsberechtigung hat, dem helfen wir bei den formalen Hürden", sagt Tritschler. Bisher habe es aber noch keinerlei Studieninteressierte seitens der Flüchtlinge gegeben. Schon seit Jahren gilt an der HRBS: "Wir haben in unserer hochschuleigenen Zulassungsordnung für Bewerber mit Asylrecht eine Notenverbesserung von 0,5 der Durchschnittsnote der aus dem Heimatland erforderlichen Hochschulzugangsberechtigung vorgesehen. Damit erhalten sie gerade in NC-Fächern eine höhere Chance auf einen Studienplatz", erklärt Tritschler.

Auch die Alanus Hochschule ist noch "in der Findungsphase"

Auch die Alanus Hochschule in Alfter befindet sich derzeit noch "in der Findungsphase", was konkrete Projekte angeht, sagt Pressesprecherin Julia Wedel. Es gebe allerdings von Studierenden und Mitarbeitern bereits Initiativen, um Flüchtlingen zu helfen. Mit der Stadt sei man in regem Austausch.

Zwar geben mehr als zehn Prozent aller erwachsenen Flüchtlinge bei der Erstaufnahme gegenüber dem Bundesamt für Migration an, schon mal auf einer Heimathochschule studiert zu haben. Von der Selbsteinschätzung bis zum Studienerfolg in Deutschland ist es allerdings meist ein weiter Weg. Bewerber speziell aus Ländern wie Syrien, Irak oder Iran haben oft ein heimisches Abitur, das für die Hochschulzulassung hierzulande noch nicht reicht.

Wie es einzustufen ist, klärt etwa die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) bei der Kultusministerkonferenz in der Graurheindorfer Straße. Vielen studienwilligen Menschen, die im Ausland Abitur gemacht haben, wird lediglich ein mittlerer Schulabschluss (Fachoberschulreife) bescheinigt.

Somit müssen sie sich in einzelnen Fächern auf eine "Feststellungsprüfung für den Hochschulzugang" vor der Bezirksregierung einstellen. Zur Vorbereitung darauf gibt es in anderen Bundesländern gebührenpflichtige staatliche Studienkollegs, an Rhein und Ruhr nicht mehr (siehe Infobox).

Wer die Hochschulreife nachweisen kann, darf in NRW studieren

Asylbewerber, die die deutsche Hochschulreife bereits nachgewiesen haben, können in Nordrhein-Westfalen (anders als etwa in Berlin) sofort studieren. Anders als alle anderen ausländischen Studienbewerber müssen sie nicht ausreichend eigenes Geld für den Deutschlandaufenthalt nachweisen.

Flüchtlinge haben vielmehr Anspruch auf Leistungen ähnlich Hartz IV, ab kommendem Jahr auch auf Bafög. Mindestens an einer Handvoll Unis wie etwa in Bochum sind sie auch von den laufenden Semestergebühren befreit. Gleichwohl: Die Studienberechtigung garantiert noch längst keinen Studienplatz.

Vielmehr müssen fast alle Ausländer, ob Flüchtlinge oder nicht, noch durch ein enges Nadelöhr: Für sie sind in zulassungsbeschränkten Fächern, also den meisten, höchsten sieben von 100 Plätzen reserviert. Die Wartezeiten sind entsprechend lang.

Die Hochschulentwicklung in Deutschland wird schon seit Jahrzehnten im Namen der "Internationalisierung", des Zustroms von Studienbewerbern aus aller Welt, vorangetrieben. Heute sind gut 4000 Studenten (12 Prozent) an der Bonner Uni Ausländer, an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sogar 15 Prozent. Dabei ist zu erinnern, dass der erste Anstoß Mitte des vorigen Jahrhunderts von Flüchtlingen ausging, zunächst aus Ungarn und dem Ostblock, später dem Iran und Afghanistan.

Ein herausragendes Beispiel stellt Abdul Rahman Ashraf dar. Der Afghane machte 1972 an der Uni Bonn sein Diplom als Geologe mit einer Arbeit über die Eifel und das Schiefergebirge. Vier Jahre später wurde er Doktor und blieb in Bonn im politischen Exil. Nach der Wende im Heimatland wurde Ashraf Unirektor in der Hauptstadt Kabul und 2010 Botschafter in Berlin.

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