Gespräch mit dem Bonner Peter Scholze "Es ist unfassbar, jetzt selbst in dieser Reihe zu stehen"

Rio de Janeiro/Bonn · Nach dem Gewinn der Fields-Medaille hat sich der Bonner Mathematikprofessor Peter Scholze Zeit genommen, um dem General-Anzeiger fünf Fragen zu beantworten.

Auf internationalen Kongressen haben die Teilnehmer ohnehin meist nur wenig Zeit. Wenn einer von ihnen einen weltberühmten Preis erhält, hat er noch weniger. Trotzdem nahm Peter Scholze sich in Rio de Janeiro Zeit für fünf Fragen von GA-Redakteur Wolfgang Pichler.

Sogar die nichtmathematische Öffentlichkeit kennt die Fields-Medaille und den einen oder anderen der mit ihr verbundenen Mathematiker. Sie stehen jetzt in einer Reihe etwa mit Gerd Faltings und Alexander Grothendieck. Wie finden Sie das persönlich?

Professor Peter Scholze: Das ist natürlich eine wahnsinnige Ehre. Es sind so viele Mathematiker in der Reihe der Fields-Medaillisten, die ich hochgradig verehre, dass es natürlich unfassbar ist, jetzt selbst in dieser Reihe zu stehen.

Es heißt, höchstens zehn bis 20 Leute weltweit könnten Ihnen auf Ihrem Fachgebiet wirklich folgen. Ist das eher frustrierend oder eher stimulierend? Gerd Faltings hat dazu einmal gesagt: "Wenn wir die einzigen sind, die Mathematik können, haben wir ja einen Vorteil."

Scholze: Frustrierend ist es für mich eigentlich nicht. Stimulierend ist es vielleicht in dem Sinne, dass, gerade weil es so eine relativ kleine Community ist, da auch eine relativ große Ruhe herrscht. Man hat die Zeit, die Dinge in Ruhe zu überdenken; es reißen sich nicht alle darum, möglichst schnell diese eine Sache zu beweisen. Man kann sie für sich selbst in Ruhe durchdenken, und wenn man es geschafft hat, kann man in Ruhe aufschreiben, wie die Sachen funktionieren. Ich mache Mathematik lieber als Miteinander statt als Gegeneinander. Da ist es eher hilfreich, dass nur so wenig Leute beteiligt sind. Sonst gerät es automatisch zum Konkurrenzkampf.

Wenn jemand nicht lesen und schreiben kann, wird er das nie öffentlich vor sich hertragen. Wenn man aber keine Ahnung von Mathematik hat, ist das hierzulande sogar ein Anlass zum Kokettieren. Was lässt sich tun, um begreiflich zu machen, dass Mathematik eine unverzichtbare Kulturtechnik ist?

Scholze: Man kann elementare Beispiele dafür geben, dass, wenn man eine Sache mal richtig durchdrungen hat, etwas bewiesen hat - dass das dann einfach stimmt. Dass es tatsächlich solche Gesetzmäßigkeiten gibt, die man wirklich beweisen kann. Inzwischen basiert ja auf diesen wirklich gefestigten Kenntnissen ein großer Teil unserer Kultur und der Technik, die wir benutzen.

Womit lässt es sich vergleichen, wenn ein mathematischer Beweis gelungen ist? Eine anstrengende Bergtour bewältigt zu haben? Einen Schatz gefunden zu haben? Oder ein scheues Wild erjagt?

Scholze: Ich bin da eher für die Bergtour bis zum Gipfel. Es gibt da ja auch verschiedene Methoden. Man kann entweder versuchen, tatsächlich die steile Wand hochzukommen - oder man kann versuchen, ob man von der anderen Seite nicht vielleicht einfacher auf den Berg kommt. Man kann auch versuchen, einfach das ganze Gebirge zu erforschen: wie die Gipfel zusammenhängen, und von welchem Tal aus man zu welchem Gipfel gelangt.

Als ein Mensch, dessen ganzes Leben von der Beschäftigung mit der Mathematik erfüllt ist: Was würden Sie sagen, ist das Faszinierendste, das innerlich Erfüllendste an dieser Tätigkeit?

Scholze: Dass ich das Gefühl habe, eine Welt zu entdecken, die unabhängig von äußeren Einflüssen einfach existiert, und ihre inneren Gesetzmäßigkeiten zu verstehen.

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