Flucht vor der Gravitation

200 Wissenschaftler diskutierten in Bonn über Ergebnisse aus der Schwerelos-Forschung

Flucht vor der Gravitation
Foto: dlr

Bonn. (sj) Manch einer ist froh, wenn er mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. Genau das ist in der Schwerelosforschung nicht erwünscht. Für ihre Experimente suchen die Wissenschaftler nach Wegen, die Schwerkraft auszuschalten.

Wenn keine Gravitation vorhanden ist, schweben Menschen und Gegenstände im Raum. Genau diese Phänomene untersuchen bestimmte Forscher. 200 Vertreter dieser Disziplin kamen vergangene Woche zur Jahrestagung der "European Low Gravity Research Association" (ELGRA) in den Bonner Uniclub. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Bonner Universität hatten dazu eingeladen.

"Wir führen wissenschaftliche Experimente unter veränderten Schwerkraftbedingungen durch", sagte ELGRA-Präsident Jack van Loon. Wenn Menschen über längere Zeit in der Schwerelosigkeit bleiben, baut sich wegen mangelnder Beanspruchung ihre Knochensubstanz ab. Deshalb untersuchen die Forscher, wie sich diese Art der Osteoporose vermeiden lässt - etwa durch gezieltes Training. Auch Pflanzen, Tiere und einzelne Zellen brauchen die Gravitation, weil sie sonst die Orientierung verlieren.

Seit Anfang 2008 schwebt das europäische Weltraumlabor "Columbus" mit der Internationalen Raumstation (ISS) durchs All. Darin untersuchen die Astronauten, was mit Mensch, Tier, Pflanze und unbelebter Materie geschieht, wenn keine Schwerkraft vorhanden ist.

"Seit Kurzem sind dauerhaft sechs Astronauten an Bord der ISS, die sich nun verstärkt wissenschaftlichen Experimenten widmen", sagte Professor Rainer Willnecker vom DLR. Bis September 2010 seien noch sechs Shuttle-Flüge erforderlich, um die Raumstation fertigzustellen. Dann sollen die US-Raumfähren in Ruhestand gehen.

Doch die Gravitationsforscher interessieren sich nicht nur für die ISS. Auch auf der Erde gibt es Methoden, die Schwerkraft auszutricksen: Sandkörnchen schweben zum Beispiel in Wasser, wenn sie schnell um eine Achse gedreht werden. Magnetfelder halten dagegen etwa Eisenpartikel in der Schwebe. "Echte Schwerelosigkeit (freier Fall) erreicht man für kurze Zeit im Fallturm oder auf parabelförmigen Flugbahnen von Flugzeugen oder Höhenforschungsraketen", teilte Ruth Hemmersbach vom DLR mit.

Derzeit führt das DLR vom Flughafen Köln-Bonn wieder Parabelflüge mit dem Schwerelosflieger "Zero G" durch. Dieser Airbus A300 steigt zunächst steil nach oben, dann drosselt er die Turbinen und begibt sich in den freien Fall. Für 22 Sekunden herrscht nahezu Schwerelosigkeit. Zahlreiche Wissenschaftler an Bord nutzen diese Gravitationspause für ihre Experimente.

Ist die Mindestflughöhe erreicht, gibt der Flieger erneut Schub und fliegt wieder steil nach oben. Die Forscher an Bord müssen sich gut auf diese "Achterbahn" vorbereiten, damit ihnen nicht übel wird. Das Parabelflug-Programm des DLR begeht mit der neuen Kampagne sein zehnjähriges Bestehen.

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