Uni Bonn spricht von alarmierendem Befund Forscher finden neues Poliovirus

BONN · Wissenschaftler haben ein mutiertes Kinderlähmungsvirus entdeckt, das den Impfschutz vor der Erkrankung durchbrechen kann.

Den neuen Erreger haben Forscher aus Bonn und dem afrikanischen Staat Gabun bei Opfern einer Kinderlähmungsepidemie im Kongo vor vier Jahren gefunden, teilte die Universität Bonn gestern mit. Demnach hätte das mutierte Virus auch in Deutschland vermutlich zahlreiche Menschen anstecken können.

Dank wirksamer Impfungen gilt die Kinderlähmung (Polio) zwar als nahezu ausgerottet: Jedes Jahr erkranken nach Angaben der Bonner Universität weltweit nur noch wenige hundert Menschen. Vor diesem Hintergrund sei der Befund bei den Opfern des Ausbruchs im Kongo "alarmierend", so ein Sprecher der Uni.

Die Kinderlähmungsepidemie im Kongo im Jahr 2010 verlief den Angaben der Wissenschaftler zufolge besonders schwer. 445 Menschen wurden nachweislich infiziert, meist junge Erwachsene. Bei 209 von ihnen endete die Krankheit tödlich, was einer überraschend hohen Sterblichkeitsrate entspricht.

Hinzukommt, dass nach Erkenntnissen der Forscher viele der Erkrankten offensichtlich geimpft worden waren: Bei Befragungen erinnerte sich knapp die Hälfte der Patienten, die vorgeschriebenen drei Impfdosen erhalten zu haben. Bislang galt die Impfung als hochwirksame Waffe, um den Erreger der Kinderlähmung in Schach zu halten.

"Wir haben Polioviren aus Verstorbenen isoliert und genauer untersucht", erläuterte der Wissenschaftler Jan Felix Drexler, der früher am Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn arbeitete und inzwischen in den Niederlanden tätig ist. "Der Erreger trägt eine Mutation, die seine Gestalt an einer entscheidenden Stelle verändert." Dies führe dazu, dass die per Impfung induzierten Antikörper das mutierte Virus kaum noch erkennen und außer Gefecht setzen könnten.

Die Polioepidemie im Kongo konnte nach Angaben der Bonner Universität letztlich nur durch ein massives Impfprogramm und Hygienemaßnahmen gestoppt werden. Selbst die aktuellen Impfstoffe scheinen also gut genug zu wirken - aber nur, wenn sie zeitnah und konsequent verabreicht werden, wie die an der neuen Studie beteiligten Wissenschaftler schlussfolgerten.

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