Forscher fordern mehr Freiheit für die Flüsse

Von den ursprünglichen Auenwäldern in Deutschland sind nur noch klägliche Reste erhalten

Forscher fordern mehr Freiheit für die Flüsse
Foto: dpa

Bonn. Natürliche, also wilde Fließgewässer mit ökologisch vielfältigen, vor Leben nur so wimmelnden Auwäldern gibt es hierzulande kaum noch. Das unterstreicht der erste deutsche Auenzustandsbericht, den das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn am Montag vorgelegt hat.

Mit dem Papier werde "erstmalig ein bundesweiter Überblick über den Verlust von Überschwemmungsflächen, die räumliche Ausdehnung und den Zustand der Fluss-auen in Deutschland gegeben", sagt Professor Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für den Naturschutz in Bonn (BfN).

Für seinen Bericht hat das BfN die Auen von 79 Flüssen auf einer Länge von fast 10 300 Flusskilometern erfassen und bewerten lassen. Das Gutachten führt drastisch vor Augen, wie sehr der Mensch die schon von steinzeitlichen Jägern gerne zur Jagd genutzten Flussauen umgestaltet und dabei meist gründlich zerstört hat.

"Derzeit können noch rund ein Drittel der ehemaligen Überschwemmungsflächen von Flüssen bei großen Hochwasserereignissen überflutet werden", heißt es in dem Papier. An Rhein, Elbe, Donau und Oder seien durch Hochwasserschutzmaßnahmen an vielen Abschnitten nur noch 10 bis 20 Prozent der ehemaligen Auen für Überflutungen erreichbar.

Umso verheerender können sich Hochwässer auswirken, zumal sie im Zuge des Klimawandels infolge zunehmender Starkregen-Ereignisse noch häufiger drohen. Die gegenwärtigen, bei normalem Hochwasser noch überflutbaren Auen an den untersuchten Flüssen beanspruchen zusammen eine rund 4 800 Quadratkilometer große Fläche - knapp zweimal jene des Saarlands.

Zu einem Drittel werden sie intensiv als Acker-, Siedlungs-, Verkehrs- und Gewerbeflächen genutzt. Nahezu die Hälfte dieser Auenbereiche wird als Grünland bewirtschaftet. Nur das restliche Achtel (rund 610 Quadratkilometer) bietet Raum für Wälder - allerdings eher selten solchen mit Auwald-Charakter.

Ohnehin sind heute bundesweit lediglich rund 57 Quadratkilometer naturnahe Hartholz-Auwälder erhalten geblieben, die anders als die Weichholz-Aue nur selten überflutet werden. Das entspricht nicht einmal einem kümmerlichen Prozent des ursprünglichen Bestandes aus den dafür typischen Baumarten Esche, Eiche, Ulme und Bergahorn.

"Wir müssen damit aufhören, die Flüsse weiter künstlich zu vertiefen und einzuengen, damit die Auen nicht noch weiter entwässert werden und austrocknen", sagt Ernst-Paul Dörfler, der das Elbe-Büro beim Naturschutzverband BUND leitet. Es gehe darum, die Auen als natürlichen Wasserspeicher zurückgewinnen.

"Man braucht mittel- und langfristig erheblich mehr Fläche, auch unter dem Gesichtspunkt der Klimaänderung", sagt Professor Emil Dister, der das Aueninstitut in Rastatt leitet. Deshalb müssten die Auen in die ehemaligen, inzwischen durch Deiche abgetrennten Altauen hinein ausgedehnt werden - was freilich voraussetze, die dafür nötigen Flächen auch schnellstmöglich unter Schutz zu stellen.

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