Forscher untersuchen frühe Glaubensbekenntnisse Ganz nah dran am "Kern des Glaubens"

Bonn · An der Bonner Universität wird die Geschichte der frühchristlichen Glaubensbekenntnisse neu geschrieben. Die Bibel ist lang und eine Sammlung der verschiedensten Texte - da wundert es nicht, dass es den Christen bald ein Bedürfnis war, den Kern dessen, woran sie glauben, zusammenzufassen - eine Art Kurzform der christlichen Lehre, auf die sich alle verständigen.

Kompliziert: Jesus ist Gottes Sohn - ist er ihm ebenbürtig? Glaubensbekenntnisse sollen Klarheit bringen.

Kompliziert: Jesus ist Gottes Sohn - ist er ihm ebenbürtig? Glaubensbekenntnisse sollen Klarheit bringen.

Foto: dpa

Der Kirchenhistoriker Professor Wolfram Kinzig von der Universität Bonn ist Experte für Entstehung und Bedeutung dieser Glaubensbekenntnisse. Nun will er seine Erkenntnisse in Buchform bringen.

Wenn Jesus Christus "Gottes Sohn" ist - ist er dann selbst ein Gott? Ein anderer? Derselbe? Oder steht der "Sohn" eine Stufe niedriger als der "Vater"? Zweifellos: Die christliche Lehre ist kompliziert. Schon ganz früh haben Christen deshalb über theologische Probleme diskutiert; später haben sie ihre Antworten in "Glaubensbekenntnissen" zusammengefasst. "Texte dieser Art sind sozusagen eine Spezialität des Christentums", sagt Professor Wolfram Kinzig vom Evangelisch-Theologischen Seminar der Universität Bonn. Seit mehr als 15 Jahren befasst sich der Kirchenhistoriker mit Entstehung und Bedeutung dieser Urkunden.

Auf der Grundlage einer umfangreichen Sammlung und Übersetzung von mehreren Hundert altgriechischen und lateinischen Glaubensbekenntnissen, die in Kürze im Druck erscheinen wird, will er von 2014 bis 2016 ein neues, als Standardwerk gedachtes Fachbuch zu den Glaubensbekenntnissen ausarbeiten. Die Volkswagen-Stiftung unterstützt das Projekt des evangelischen Theologen mit 200.000 Euro.

Mehr als zwei Milliarden Christen gibt es weltweit. Fast alle stützen ihren Glauben auf zwei kurze Texte: Das "Nizäno-Konstantinopolitanum" gehört neben der Bibel zu den Grundtexten des Glaubens - es wurde auf zwei Konzilien in den Jahren 325 (in Nizäa) und 381 (in Konstantinopel) erarbeitet und beschlossen. Ein typisch "westliches" Bekenntnis ist hingegen das "Apostolikum", von dem man lange Zeit dachte, es gehe auf die Apostel selbst zurück.

Es ist vor allem in der römisch-katholischen Kirche, der anglikanischen Kirche und vielen evangelischen Kirchen in Gebrauch. Beide Bekenntnisse werden heute in einer festen Form im sonntäglichen Gottesdienst gesprochen. Sie sind in den ersten Jahrhunderten nach Christus in einem langen und komplizierten Prozess entstanden, in dem sie sich aus mannigfachen Vorformen herausgebildet und gegenüber etlichen anderen Glaubensbekenntnissen durchgesetzt haben.

Für die wissenschaftliche Aufarbeitung aller Glaubensbekenntnisse gilt nach Professor Kinzig: "Ihre Geschichte muss neu geschrieben werden." Denn zum einen hatte man früher nicht immer Zugriff auf die Originalhandschriften, sondern verließ sich auf häufig unzuverlässige gedruckte Ausgaben. Zum anderen hat laut Professor Kinzig "die frühere Forschung zu stark textfixiert gearbeitet".

Es ging ihr zu wenig um die praktische Bedeutung der Glaubensbekenntnisse im Alltag. Für die frühen Christen waren sie mehr als bloße Buchstaben - so galten kleine Abschriften als Amulett gegen Flüche, böse Geister und Krankheiten. Auch Wunder waren nicht ausgeschlossen: Kinzig stieß auf die Geschichte eines jungen Mannes in Nordafrika, der bei einem Hauseinsturz starb. Nach stundenlangem Gebet seiner Witwe erwachte der Tote wieder zum Leben - und berichtete, ein Engel habe ihn aus dem Jenseits zurückgeschickt, weil er das Glaubensbekenntnis habe rezitieren können.

Schlechter erging es dem Mönch Polychronios in Konstantinopel: Der behauptete im Jahre 681 auf dem 6. Ökumenischen Konzil, ein von ihm verfasstes Glaubensbekenntnis habe die Kraft, Tote wieder lebendig zu machen. Die Bischöfe nahmen ihn beim Wort und schafften eine Leiche herbei. "Und was geschah? Natürlich nichts", erzählt Professor Kinzig schmunzelnd. Polychronios wurde zum Ketzer erklärt und verlor seine Priesterwürde.

Kinzig räumt ein: "Die Christen haben über den rechten Glauben gestritten und haben sich dabei oft auch der Häresie bezichtigt - mit allen fragwürdigen Folgen." Aber: "Bei aller berechtigten Kritik übersieht man heute leicht, dass es bei den Streitigkeiten darum ging, zu verstehen und zu beschreiben, was das Christentum im Kern ausmacht", so der Theologe. "Wer die Glaubensbekenntnisse versteht, weiß, wie Christen ticken."

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