Rheinische Landesgeschichte in Bonn Geschichtsvereine schlagen Alarm

BONN · Eine Zusammenlegung der Lehrstühle für Rheinische Landesgeschichte und Frühe Neuzeit stößt auf Widerstand

 Ewige Baustelle: Ein ungenutzter Kran gehörte viele Jahre zum Kölner Dom. Der Stahlstich zeigt die Situation 1824 und entstand 1857. Der Kölnische Geschichtsverein setzt sich gegen eine Schließung der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte in Bonn ein.

Ewige Baustelle: Ein ungenutzter Kran gehörte viele Jahre zum Kölner Dom. Der Stahlstich zeigt die Situation 1824 und entstand 1857. Der Kölnische Geschichtsverein setzt sich gegen eine Schließung der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte in Bonn ein.

Foto: dpa

Zahlreiche an Regionalgeschichte Interessierte in Bonn und darüber hinaus machen sich derzeit Sorgen um die Abteilung Rheinische Landesgeschichte am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität. Rund 3300 Unterzeichner hat eine Internet-Petition gegen eine Schließung der Abteilung mittlerweile gefunden. "Die größeren rheinischen Geschichtsvereine" haben sich in einem offenen Brief an Universitäts-Rektor Jürgen Fohrmann und Andreas Bartels, Dekan der Philosophischen Fakultät, gewandt. Auch der Vorsitzende des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine, Professor Manfred Treml, appelliert in einem Brief an den Rektor.

Der Hintergrund: Im Dezember war bekannt geworden, dass die Universität wegen eines strukturellen Defizits jährlich acht Millionen Euro sparen muss und dies unter anderem mit dem Einfrieren von Stellen bewerkstelligen will. Bei den Historikern gibt es dafür gleich vier Gelegenheiten: Ende Februar werden die Lehrstühle für Hilfswissenschaften und Archivkunde, Osteuropäische Geschichte, Frühe Neuzeit sowie Rheinische Landesgeschichte vakant.

"Mit größter Bestürzung", so schreiben die Vertreter von zwölf größeren rheinischen Geschichtsvereinen in ihrem offenen Brief, hätten sie vernommen, "dass der seit nunmehr fast einhundert Jahren bestehende Lehrstuhl für Rheinische Landesgeschichte mit dem Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit zusammengelegt und nur noch eine der beiden derzeit vakanten Professuren neu besetzt werden soll". Dies sei nach der bereits 2005 vollzogenen Auflösung des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande "ein weiterer dramatischer Bedeutungsverlust, ja das faktische Ende der rheinischen Landesgeschichte als einer akademischen Disziplin".

Wie wohl kein anderer Lehrstuhl habe sich die Landesgeschichte um eine Vermittlung wissenschaftlicher Arbeit in die Region verdient gemacht, sie sei für das ehrenamtliche bürgerschaftliche Engagement in den regionalen Geschichtsvereinen von großer Bedeutung. Unterzeichner ist unter anderem Konrad Adenauer, Vorsitzender des Kölnischen Geschichtsvereins und Enkel des ersten Bundeskanzlers.

"Fassungslos" über die Pläne einer Zusammenlegung der Lehrstühle für Frühe Neuzeit und Rheinische Landesgeschichte ist auch Professor Manfred Treml, Vorsitzender des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. "Die im Ehrenamt geführten historischen Vereine verlören ihre wissenschaftlichen Kompetenzzentren und müssten auf die lebensnotwendige Kooperation mit der Universität verzichten", schreibt er an Fohrmann und erinnert an das Attribut "rheinisch" im Namen der Bonner Universität.

Dekan Andreas Bartels hält die Proteste mindestens für verfrüht: "Noch wurde keine endgültige Entscheidung gefällt", betonte er auf Anfrage des General-Anzeigers. Es würden Überlegungen angestellt, "ob es vielleicht bessere Möglichkeiten gibt als bisher". So viel stehe fest: "Die Befürchtung, dass die Landesgeschichte völlig eingestellt wird, ist unbegründet." Tatsächlich sei das Verfahren zur Wiederbesetzung der Professur für Rheinische Landesgeschichte gestoppt, und fraglich sei, ob der derzeit vakante Lehrstuhl für Frühe Neuzeit wieder so wie bisher besetzt werde. Die Lösung könne ein neuer Zuschnitt einer landesgeschichtlichen Professur sein, etwa eine Betonung der Frühen Neuzeit (wo bislang das Mittelalter im Mittelpunkt stand).

Unterm Strich fiele so jedoch eine Professur weg. Dass dies nicht wegzudiskutieren ist, merkt Manfred Groten an, der den Lehrstuhl für Rheinische Landesgeschichte aktuell bekleidet und sich Ende Februar in den Ruhestand verabschieden wird: "Das kann keine Lösung sein, die der Sache gerecht wird", sagt er. Der neue Lehrstuhlinhaber müsse gleich zwei Bereiche bedienen. Erstens: Für die Landesgeschichte den entsprechenden Masterstudiengang, der zudem noch Studenten der Kulturanthropologie betreut; dazu die jährliche Zeitschrift, die für die Öffentlichkeit zugängliche Bibliothek und jährliche Exkursionen. Und zweitens: Für die Frühe Neuzeit ebenfalls den entsprechenden Masterstudiengang sowie das "Zentrum für Historische Friedensforschung", das sich mit den Akten des Westfälischen Friedens befasst. Groten: "Das ist sehr viel für zwei Schultern."

Rheinische Landesgeschichte an der Bonner Universität

Der Lehrstuhl für Rheinische Landesgeschichte wurde in den 1920er Jahren konzipiert, um der Heimatgeschichte, die in Geschichtsvereinen betrieben wird, ein wissenschaftliches Fundament zu verleihen. Er verfügt über eine Spezialbibliothek und wird vom Verein für geschichtliche Landeskunde unterstützt. Dessen rund 1000 Mitglieder aus ganz Deutschland und anderen Ländern erhalten die von den Landeskundlern jährlich herausgegebenen Rheinischen Vierteljahrsblätter, jährlich bietet ihnen der Lehrstuhl zudem eine Exkursion an historisch bedeutsame Orte in der ehemaligen preußischen Rheinprovinz und eine Fachtagung.

2006 ging das "Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande" im neu entstandenen "Institut für Geschichtswissenschaft" auf, geblieben ist die "Abteilung für Rheinische Landesgeschichte". Deren Zukunft steht nun im Zuge von Sparbestrebungen zur Debatte.

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