Bonn Forscher Java-Erdbeben zündete Schlammvulkan

BONN · Ein verheerendes Erdbeben erschütterte im Jahr 2006 die Insel Java. Bonner Forscher sehen im Erdbeben den Auslöser für den Ausbruch eines Schlammvulkans in 250 Kilometer Entfernung. Der begrub auf mehreren Quadratkilometern Fläche alles unter sich - und bis heute spuckt.

 Schlammwüste: Heiße Erde überschwemmt regelmäßig das Gebiet in der Region "Lusi" auf Java.

Schlammwüste: Heiße Erde überschwemmt regelmäßig das Gebiet in der Region "Lusi" auf Java.

Foto: dpa

Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass das Erdbeben zu weit entfernt stattfand, um einen solchen Schlammvulkan zu zünden. Geophysiker der Universität Bonn und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich weisen nun anhand von Computermodellen nach, dass dies auch über sehr große Entfernungen hinweg möglich ist.

Am 27. Mai 2006 bebte auf der indonesischen Insel Java die Erde, die Stärke auf der Momenten-Magnituden-Skale: 6,3. Das Hypozentrum lag etwa 25 Kilometer südwestlich der Stadt Yogyakarta in einer Tiefe von rund zwölf Kilometern. Mehrere Tausend Menschen starben, Zehntausende wurden verletzt, viele Menschen verloren ihre Häuser und Wohnungen.

Rund 250 Kilometer östlich vom Hypozentrum kam es 47 Stunden später zum Ausbruch des Schlammvulkans "Lumpur Sidoarjo" bei Surabaya, abgekürzt "Lusi". In der Nähe eines Erdölbohrlochs begann heißer Schlamm bis in 50 Meter Höhe zu schießen. Das tut er noch heute. Der heiße Schlamm überflutet das Gebiet; Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Schlammvulkan noch viele Jahre lang aktiv sein wird.

"Viele Wissenschaftler glaubten, dass das Erdbebenzentrum viel zu weit von Lusi entfernt war, um den Schlammvulkan zu aktivieren", sagt Professor Stephen A. Miller vom Lehrstuhl Geodynamik der Universität Bonn. Die Bonner Forscher kamen mit ihren Computermodellen, die die geologischen Bedingungen in der Region Lusi nachbilden, jedoch zu dem Schluss, dass trotz der großen Entfernung das Erdbeben die Ursache ist. Der feste Schlamm ist dort in zwei dichte Schichten eingekapselt und steht durch die Auflast des Gesteins wie eine geschüttelte Sektflasche unter Druck, so die Wissenschaftler. Darüber bildet festes Vulkangestein eine Kuppel.

"Unsere Simulationen zeigen, dass der feste Schlamm durch die Energie des Erdbebens verflüssigt werden konnte und dann durch den Druck die darüber liegenden Schichten durchbrach", so Professor Miller. Dafür mussten jedoch bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Eine davon: In der Kuppel des Lusi-Gebiets wurden die Wellen des starken Erdbebens wie das Echo in einer Höhle zurückgeworfen und überlagert.

"Dadurch kam es zu einer Verstärkung und Fokussierung der Erdbebenwellen", berichtet Florian Fuchs, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Miller. Wie in einem Parabolspiegel, der die Wellen konzentriert einfängt, konnten die Erdbebenwellen aufgrund der besonderen geologischen Verhältnisse die kritische Energieschwelle überschreiten und den Schlamm verflüssigen. "Das Bohrloch alleine hätte nicht zum Ausbruch des Schlammvulkans geführt", sagt Miller. Erst das Erdbeben habe die notwendige Verflüssigung des Schlamms als Voraussetzung für die Eruption geschaffen.

Frühere Auswertungen von Wissenschaftlern hätten die Energie der Erdbebenwellen unterschätzt, weil vor allem die oberflächennahen Bodenbewegungen berücksichtigt worden seien. Und die waren viel schwächer als die in den tieferen Schichten, vermuten die Geophysiker der Universität Bonn. Die Kuppelstruktur habe die Wellen "gefangen" und nur abgeschwächt zur Erdoberfläche durchgelassen.

Wie Forscher bereits vorher vermuteten, hängt Lusi über eine Verwerfung wahrscheinlich mit einem Vulkansystem in rund 15 Kilometern Entfernung zusammen. "Diese Verbindung heizt den Schlammvulkan wahrscheinlich auf und versorgt ihn mit Gasen, die Lusi bis heute kräftig sprudeln lassen", erklärt Florian Fuchs die permanenten Aktivitäten.

Für die Bonner und Züricher Forscher steht fest: Ein Erdbeben kann über weite Distanzen hinweg andere Prozesse auslösen. Professor Miller: "Der Schlammvulkan kann als geologische Rarität zu einem tieferen Verständnis von Erbeben und vulkanischen Aktivitäten beitragen."

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