Klammheimliches Duell im Blumentopf

Mit List wehren sich Pflanzen gegen Schädlinge: Sie schicken Giftblasen zu ihren Feinden - Kölner Forscher nehmen diese Abwehrstrategien unter die Lupe

Köln. Deutschland schnieft und hustet. Manch einer mag da neidisch zur Topfpflanze schielen. Die grünen Zimmergenossen scheinen von solchen Attacken verschont zu bleiben. Weit gefehlt - auch den Pflanzen machen Krankheitserreger zu schaffen.

Pilze beispielsweise, die sich im Stängel, in den Blättern oder Wurzeln ansiedeln. Die Eindringlinge schmarotzen an den Nährstoffen - im Ernstfall so lange, bis die ganze Pflanze schließlich abstirbt. Ein prominentes Beispiel für Pilzbefall bei Pflanzen ist Hobbygärtnern gut bekannt: der Mehltau. Er befällt auch Nutzpflanzen wie Gerste und verursacht in Europa Ernteausfälle bis zu 20 Prozent, in Nordafrika sogar bis zu 30 Prozent.

Pflanzen sind Attacken von Pilzen oder anderen Schädlingen aber nicht wehrlos ausgeliefert. In Köln untersuchen Forscher das molekularbiologische Zusammenspiel im Kampf Pflanze gegen Pilz. Professor Paul Schulze-Lefert, geschäftsführender Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung, erklärt: "Pflanzen verfügen über ein hoch entwickeltes Immunsystem."

Dazu gehört eine ausgeklügelte Abwehr: Sowohl an den Außenhüllen der Pflanzenzellen, den Membranen, als auch in den Zellen erkennen spezielle Eiweißmoleküle fremde Substanzen. Wenn sie an solche Moleküle binden, lösen sie Alarm aus - analog zum menschlichen Immunsystem. Hat eine Pflanze eine fremde Substanz erkannt, wehrt sie sich mit einer Vielzahl von Strategien. Angrenzende Zellen aktivieren zum Beispiel eine Art Selbstmordprogramm, um dem Eindringling Nährstoffe zu entziehen und so seine Ausbreitung zu verhindern.

Kürzlich stießen Schulze-Lefert und sein Team auf eine neue Verteidigungslinie bei Pflanzen. Sie ist scheinbar speziell gegen Pilzangriffe gerichtet, etwa gegen schmarotzende Pilze, die mit Hilfe von Enzymen pflanzliche Zellwände abbauen und sie mit feinsten Fäden durchdringen, um an ihre Nährstoffe zu gelangen. Wie die Pflanze den Angriff zu diesem frühen Zeitpunkt registriert, ist noch nicht bekannt.

Auf diese Art von Pilzbefall hat die Pflanze "eine bemerkenswert dynamische Antwort", wie Schulze-Lefert sagt. So genannte Vesikel, von Membranen umschlossene mikroskopisch kleine Flüssigkeitsbläschen mit extrem giftigen Stoffen, sammeln sich und werden zum Ort des Alarms transportiert.

Die Membranbläschen verschmelzen mit der Zellmembran und schütten ihre giftige Fracht direkt dorthin, wo der Pilz die Pflanze attackiert. Der überlebt die Giftflut in der Regel nicht. Die Pflanzenzelle dagegen kommt unbeschadet davon.

Die Kölner Forscher interessieren sich für das molekulare Zusammenspiel, das zur Ausschüttung der chemischen Kampfstoffe führt. Um dies genauer zu untersuchen, nahmen sie Pflanzen unter die Lupe, bei denen ein bestimmter Mehltau-Pilz normalerweise keine Chance hat: die Ackerschmalwand Arabidopsis. Schulze-Lefert und sein Team fanden Exemplare, bei denen ein bestimmter Teil der pflanzlichen Immunabwehr auf Grund eines genetischen Defektes versagt.

So konnten sie den molekularen Mechanismus aufklären: Spezifische Eiweiße, so genannte SNARE-Proteine, fungieren in der Zelloberflächenmembran als Andockstellen für die giftbeladenen Vesikel. In deren Membran finden sich passende Gegenstücke zu den SNARE-Proteinen. Binden beide aneinander, verschmelzen die Membranbläschen mit der Außenhülle der Zelle und entladen die Giftstoffe.

Fehlen diese SNARE-Proteine oder funktionieren sie nicht richtig, bleiben die chemischen Kampfstoffe im schützenden Vesikel eingeschlossen. Der Pilz kann die Pflanze überwältigen. Die Kölner Wissenschaftler fanden die für die Pilzabwehr entscheidenden SNARE-Proteine sowohl in Nutzpflanzen wie Gerste als auch in der Ackerschmalwand - einem so genannten Unkraut.

"Damit wurde deutlich, dass es sich bei diesem Verteidigungsmechanismus um ein evolutionär altes System handeln muss", sagt Schulze-Lefert. Trotz ähnlicher SNARE-Proteine gelingt es dem Mehltaupilz häufig, Gerstenpflanzen zu infizieren - wie und warum, wissen die Forscher noch nicht. In Zukunft wollen sie die Mechanismen näher untersuchen, die für Transport und Ausschüttung der Vesikel zuständig sind.

"Es ist faszinierend, zu beobachten, wie die Zelle innerhalb weniger Stunden ihre Struktur vollständig umbaut und sich in den Verteidigungszustand versetzt", sagt Schulze-Lefert. Die Forscher wollen das Immunsystem der Pflanzen genau kennen lernen. Langfristig ist es denkbar, gentechnisch veränderte Nutzpflanzen herzustellen, die gegen verschiedene Pilze resistent sind - oder durch geschickte Züchtung von Natur aus resistente Arten einzukreuzen.

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