Lectine angeln gezielt nach Bio-Molekülen

Biologen der Uni Bonn entwickelten neuartiges Verfahren, mit dem Schnelltests noch schneller werden

Bonn. Biologische Tests müssen heute vor allem eines leisten: möglichst schnell Ergebnisse liefern. Sei es bei BSE, sei es bei der Maul- und Klauenseuche (MKS). Immer steht die Analytik unter Zeitdruck. Forscher um Michael Keusgen, Dozent für pharmazeutische Biologie an der Bonner Universität, haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Biomoleküle schnell und zuverlässig aus einer Testlösung herausfischen lassen.

Beispiel: Eine mit Salmonellen verunreinigte Lösung läuft über ein biologisch beschichtetes Plastikmaterial. Die Bakterien bleiben in dem porösen Material hängen und können dann mit gentechnischen oder anderen molekularbiologischen Methoden untersucht werden. Vorteil: Das mehrere Tage dauernde Züchten von Bakterienkulturen entfällt. "Die Grundtechnologie, wie man die biologische Komponente an den Kunststoff fixiert, ist immer die gleiche", sagt Keusgen.

Mix aus Materialien

Der Clou der Bonner Forscher ist eine neuartige Kombination aus biologischen und künstlichen Materialien. Dabei handelt es sich um komplexe Schichtaufbauten. "Erst sie machen das ganze chemisch stabil", sagt Keusgen. "Wir haben die Kunststoffoberfläche, in unserem Fall Teflon, chemisch so modifiziert, dass man Biomoleküle daran fest machen kann." Über mehrere Schritte werden sie dann mit dem Kunststoff verbunden.

Das Verfahren klingt wie ein kompliziertes Backrezept für einen Baumkuchen: Ein Oxidationsmittel aktiviert zunächst die Kunststoffoberfläche, um den Prozess zu starten. Danach tragen die Wissenschaftler organische Moleküle auf, die als Abstandhalter für die einzelnen Schichten fungieren. Anschließend wird sogar noch Zucker aufgebracht. Eine Lectin-Schicht bildet schließlich die eigentliche "Angel", mit der die gewünschten Moleküle - sei es ein Enzym oder Antikörper - an den Kunststoff gebunden werden. Lectine sind Eiweiße aus Pflanzen, die auch für Blutgruppenachweise Verwendung finden, weil sie mit bestimmten Antigenen zu charakteristischen Verklumpungen des Blutes führen.

Der Aufbau aus biologischen und künstlichen Schichten ist erfahrungsgemäß recht stabil. "Ein solches Konstrukt hat eine Haltbarkeit von mindestens 250 Tagen", sagt Keusgen. Das Material taugt für die verschiedensten Analyseanwendungen: "Was dann über den Einsatzbereich entscheidet, sind letztlich spezielle Biomoleküle, Enzyme oder Antikörper, die daran gebunden werden." Damit ließen sich dann etwa Milch- oder Blutproben untersuchen, auch die Fahndung nach BSE und MKS wäre möglich. Allerdings muss dafür die Oberfläche jeweils speziell auf das zu analysierende Material abgestimmt werden.

Um den raschen Durchsatz vieler 100 Proben noch weiter zu beschleunigen, haben sich die Bonner Forscher um Keusgen noch etwas ausgedacht: Sie integrieren das biologisch beschichtete Plastikmaterial in eine eigens entwickelte Durchflussmessanlage. Diese wählt die Proben und Reagenzien durch automatische, computergesteuerte Schaltventile selbst aus und leitet beides dann über die beschichteten Plastikplättchen, von denen in einem Detektor auch mehrere hintereinander gesetzt werden können. Mit diesem "Hochdurchsatz-Analytik" genannten Verfahren können die Proben gleichzeitig auf verschiedene Mikroorganismen untersucht werden. Das war bisher so nicht möglich. Auf einfache Art und Weise lassen sich die Testplättchen auswechseln. Der Apparat ist damit schnell und beliebig für andere zu analysierende Stoffe umrüstbar. Entscheidend für den kontinuierlichen Durchflussbetrieb ist nicht zuletzt, dass man die beschichteten Materialien mehrfach verwenden kann. Sie müssen nicht nach jedem Test ausgetauscht werden, was Material- wie Zeitersparnis bedeutet.

Auch die Auswertung erfolgt vollautomatisch per Rechner. Fazit: Das Gerät läuft nachts, am nächsten Morgen liegen die Ergebnisse vor. Keusgen: "Die von uns entwickelte Technologie wäre sogar problemlos auf ein Schnellnachweissystem auf BSE zu übertragen, wenn wir anständige Antikörper gegen die Prionen hätten, die die Erkrankung auslösen."

Unter den Top 20

Praxistauglichkeit haben diese Verbindungen, die die Welt der Kunststoffe mit der Biologie zusammenbringen, bereits in der Qualitätskontrolle von Lebensmitteln bewiesen: für den Wirkstoffnachweis von Knoblauch und Zwiebel. Andere Anwendungsbereiche sind die medizinisch-klinische Diagnostik, die Pharmazie und die Pflanzenzüchtung, etwa um die verschiedenen Anbaubedingungen Hunderter von Proben oder Sorten zu beurteilen.

Keusgen hat seine neuartige Technologie im vergangenen Jahr auf der "Biotechnica"-Messe in Hannover vorgestellt. Lebhaftes Interesse hat er dort ausgelöst. Inzwischen arbeitet ein Konsortium unter seiner Federführung an dem Projekt "Hochdurchsatz-Analytik-Methoden in der Gendiagnostik". Es schaffte auf Anhieb den Sprung in den InnoNet-Ideenwettbewerb des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Nicht nur das. Unter 300 Projektskizzen landete Keusgens Team unter den Top 20.

Innonet

Mit dem Programm "Förderung von Innovativen Netzwerken" (InnoNet) will das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie kleine und mittlere Unternehmen für eine stärkere Zusammenarbeit schon in der Phase der Forschung und Entwicklung gewinnen. Damit sollen Ergebnisse schneller in marktfähige Produkte umgesetzt und Forschungseinrichtungen angeregt werden, ihre Arbeitspläne stärker auf die Bedürfnisse der Unternehmen auszurichten. Die mitwirkenden Firmen beteiligen sich mit mindestens 20 Prozent der Kosten des dreijährigen Verbundprojekts in Form eigener Forschungsleistungen.

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