Liv Niephaus gibt entnervt auf

Vier Monate nach der Wahl ist immer noch kein AStA in Sicht - Bonns Uni-Rektor Borchard setzt Patrick Panahandeh als Vorsitzenden ein

Bonn. Dass es von Mitte Januar, wenn das Studierendenparlament (SP) gewählt wird, bis Mitte Juni dauert, ehe sich der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) konstituiert, ist an der Uni Bonn seit Jahren die Regel. Und in jedem Jahr beteuern die frischgewählten SP-Mitglieder, dass es diesmal aber schneller gehen soll. So auch in diesem Jahr.

Die AStA-Chefin Liv Niephaus (Grüne Hochschulgruppe, GHG), die mit einem linken Minderheiten-AStA regieren musste, war nach dem aus ihrer Sicht positiven Wahlergebnis - die Grünen hatten einen Sitz gewonnen, der RCDS büßte drei Sitze ein - daran interessiert, den AStA rasch auf eine breitere Basis zu stellen. Nach dem unerfreulichen Wahlkampf wollte sie in einer Koalition der Mitte "endlich zu sachlicher, konstruktiver Arbeit zurückkehren".

Doch allem Einsatz zum Trotz steht Niephaus vor einem Scherbenhaufen: Nach zwei geplatzten Koalitionsversuchen legte sie in der vergangenen SP-Sitzung desillusioniert ihr Amt nieder.

"Ich habe ein schlechtes Gewissen dabei, aber ich kann den politischen Zickzackkurs nicht mehr mittragen und schaffe es nach eineinhalb Jahren Kampf im Amt der AStA-Chefin jetzt auch körperlich und seelisch nicht mehr", sagt Niephaus. Sie sei mit dem Ziel in die Koalitionsgespräche gegangen, den AStA zu reformieren, weil nach ihrer Beobachtung manche Studierende dort nur mitmachten, um die schnelle Mark zu verdienen; es mangelte an effizienter Arbeit.

Nach ihrem Finanzkonzept sollte sich die Bezahlung deshalb künftig an der Erledigung von Projekten orientieren. Das Wahlergebnis legte eine Koalition aus Jusos, Liberalen und Grünen nahe, die zusammen mit 27 Sitzen über die Mehrheit im SP verfügen könnten, eventuell ergänzt durch kleinere Parteien wie die Sportliste oder die Ausländische Studierenden Liste. Als zweitgrößte Fraktion (zwölf Sitze) nahmen die Grünen bereits kurz nach den Wahlen Gespräche mit den Jusos (acht Sitze) und den Liberalen (sieben Sitze) auf, doch man fand beim Thema "Politischer und organisatorischer Aufbau des AStA" nicht zueinander. Die Vorsitzende der Juso-Hochschulgruppe, Ambra Marx, erklärt am 18. März die Koalitionsgespräche für gescheitert.

Niephaus nahm daraufhin Gespräche mit der stärksten SP-Fraktion auf, dem RCDS (13 Sitze). Der hatte zwar bei der SP-Wahl Federn gelassen - die Jusos wähnten die Christdemokraten in der Nähe von Rechtsextremisten, aber der RCDS war mit jungen Abgeordneten und der Absicht ins neue SP gezogen, konstruktive, sachorientierte Arbeit für die Studierenden abzuliefern. Ihr Fraktionschef Malte Cordes stimmte mit Niephaus überein, dass man wichtige Teile des AStA reformieren müsse. Und so wurden in den Gesprächen tragfähige Kompromisse erzielt.

Doch die Koalition scheiterte schließlich, weil Niephaus ihre Partei nicht hinter sich hatte. Am 18. April stimmte die GHG gegen die Koalition mit dem RCDS. Und Niephaus sah sich als "Opfer einer Hexenjagd".

Es blieb nichts anderes übrig, als eine erneute Annäherung an Jusos und Liberale zu versuchen, doch das Ergebnis war unbefriedigend: Die Jusos wollten nicht selbst in eine Koalition mit den Grünen eintreten, sondern diese lediglich tolerieren. Und die LHG wollte nur mit den Jusos zusammen in die Koalition. So war die Konstellation am vergangenen Dienstag bei der SP-Sitzung, auf der die AStA-Wahlen durchgeführt werden sollten. Zuvor bekundete Liv Niephaus ihre Enttäuschung über den Verlauf der Koalitionsverhandlungen - und erklärte ihren Rücktritt. Der dadurch entstandene Handlungsdruck brachte das SP aber auch nicht auf Trab.

Angetreten zur Wahl waren Malte Cordes (RCDS), ferner Philipp Reichmuth von der Spaßfraktion "Subversive Hochschulgruppe" und Jens Rinne (Liste Undogmatischer StudentInnen). Doch von den 40 abgegebenen Stimmen waren lediglich 28 gültig, darunter fünf Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen. Keiner der drei hatte damit die Chance, die nötigen 26 Stimmen zu erhalten.

Für die zurückgetretene AStA-Chefin, die aus Krankheitsgründen auch nicht in der Lage ist, ihr Amt kommissarisch weiter zu führen, hat Rektor Klaus Borchard jetzt den bisherigen stellvertretenden AStA-Vorsitzenden Patrick Panahandeh (Sportliste) als AStA-Chef mit voller juristischer Verantwortung eingesetzt und mit der Aufgabe betraut, die AStA-Bildung voranzutreiben.

Es stehen wichtige Entscheidungen an, vor allem der Haushalt 2001/2002. Dabei geht es immerhin um eine Summe von 1,7 Millionen Mark. Für Dienstag, 29. Mai, ist die nächste SP-Sitzung vorgesehen, dann wäre eine weitere am 12. Juni möglich. Panahandeh: "Wenn wir bis dahin die AStA-Wahlen nicht zustande bekommen, muss der Rektor das SP auflösen, und es muss neu gewählt werden."

Zum "Schlimmsten", worunter die Verantwortlichen Neuwahlen verstehen, soll es aber nicht kommen, denn alle Beteiligten sind sich klar darüber, dass die politisch aktiven Studenten zur Zeit "ein ganz schlechtes Bild abgeben" und sich dies fatal auf die Wahlbeteiligung auswirken würde. Diese war zuletzt schon mit 14,4 Prozent auf den absoluten Tiefpunkt gesunken. Bisher hat offenbar kaum jemand daraus gelernt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort