Simulation von Flusseinzugsgebieten Meteorologen wollen das Unmögliche möglich machen

BONN · Wann fließt warum wieviel Wasser den Rhein runter? Wenn es um die Prozesse abfließenden Wassers geht, wird es kompliziert.

 Wissenschaftler wollen mehr über die Gesetze fließenden Wassers, wie hier dem Rhein in Bonn, herausfinden.

Wissenschaftler wollen mehr über die Gesetze fließenden Wassers, wie hier dem Rhein in Bonn, herausfinden.

Foto: Volker Lannert

Eine neue Forschergruppe in den Geowissenschaften verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: Die Wissenschaftler wollen beweisen, dass sie mit gemessenen Daten und physikalisch-mathematischen Modellen in Flusseinzugsgebieten die wichtigsten Prozesse des fließenden Wassers soweit erfassen können, dass präzise Abflussvorhersagen machbar werden - eine unmögliche Aufgabe, meinen einige Wissenschaftler.

Die Daten stammen von Satelliten, Regenradaren und konventionellen Messungen. Sprecher der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in den nächsten drei Jahren mit mehr als zwei Millionen Euro geförderten Forschergruppe ist der Meteorologe Professor Clemens Simmer von der Universität Bonn.

Die meisten herkömmlichen Vorhersagemodelle für Flusseinzugsgebiete setzen die Menge des gefallenen Niederschlags in Form von Regen und Schnee mit den im Fluss fließenden Wassermengen in Relation. "Hierzu werden die hochkomplexen Prozesse auf möglichst wenige konzeptionelle Beziehungen reduziert und statistisch so angepasst, dass die berechneten und die in der Realität gemessenen Daten bestmöglich übereinstimmen", sagt Simmer.

Die Wissenschaftler der Forschergruppe verfolgen ehrgeizigere Ziele: Sie wollen die wahren physikalischen Zusammenhänge soweit wie möglich in den Modellen reproduzieren, um den Abfluss in mehrere Tausend Quadratkilometer großen Flusseinzugsgebieten ohne statistische Anpassungen und zuverlässiger vorhersagen zu können als bisher.

Um diese Berechnungen zu ermöglichen, müssen neben dem Niederschlag im Einzugsgebiet des Flusses auch die Grundwasserstände, die Bodenfeuchteverteilung sowie die Verdunstung aus dem Boden und den Pflanzen erfasst werden. "Viele Wissenschaftler halten das für eine “mission impossible„, schon weil sie nicht glauben, dass es hierfür je ausreichend gute Messungen geben wird", sagt der Meteorologe.

Die Forscher sind jedoch davon überzeugt, dass es nur einer intelligente Nutzung der bereits verfügbaren Messungen, etwa von Satelliten, bedarf, wie es derzeit bereits bei der Wettervorhersage über die sogenannte Datenassimilation praktiziert wird.

Um den Beweis antreten zu können, dass scheinbar Unmögliches tatsächlich möglich werden kann, wollen sie den Supercomputer im Forschungszentrum Jülich ein künstliches Einzugsgebiet mit allen Details generieren lassen. Dabei hilft das High-Performance-Scientific Computing Centre für Terrestrische Systeme (HPC-TerrSys) des Geoverbunds ABC/J. In einem ersten Schritt sollen daraus übliche Beobachtungen, auch von Satelliten und Wetterradaren, simuliert werden.

"Anschließend tun wir so, als würden wir die vorangegangenen Berechnungen nicht kennen und nutzen nur die virtuellen Messungen, um daraus den Abfluss im Flusseinzugsgebiet zu berechnen", sagt Simmer. Danach prüfen die Wissenschaftler, wie gut ihr Modell funktioniert, indem sie die Ausgangsdaten des virtuell generierten Flusseinzugsgebietes mit den Berechnungen vergleichen.

Die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung könnten vielen angewandten Fragestellungen zugutekommen. "Neben dem Abfluss in einem Flusseinzugsgebiet werden dann automatisch auch Wasserstände und damit mögliche Überflutungen prognostiziert", sagt Simmer. Auch für die Vorhersage des Wasserstands in Talsperren und die Bodenfeuchte in der Landwirtschaft sind solche Modelle von großer Bedeutung.

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