Poetikdozentin Marion Poschmann an der Uni Bonn Mit Lyrik in die Botanik

BONN · Samstagmittag in die Uni? Eigenartige Vorstellung, soweit die Erinnerung einen nicht ganz und gar im Stich lässt. Aber erstens haben sich die Zeiten seither wohl geändert, und zweitens besitzt das Ganze - außer der Reihe - durchaus einen gewissen Charme.

 Die Lyrik der Blumen: Marion Poschmann ist bis zum kommenden Frühjahr "Poetikdozentin" an der Universität Bonn.

Die Lyrik der Blumen: Marion Poschmann ist bis zum kommenden Frühjahr "Poetikdozentin" an der Universität Bonn.

Foto: Poschmann

Wenn man seinen Abschluss in der Tasche hat oder "die Seiten gewechselt". So wie Marion Poschmann, die seit dem Sommersemester Poetikdozentin an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ist und hier zwei Jahre lang studierte - Germanistik, Philosophie und Slawistik -, bevor sie 1992 nach Berlin ging.

"Die ersten Semester sind ja immer etwas Besonderes, was einen prägt", bringt es die heute 45-Jährige auf den Punkt - das Tor des Uni-Hauptgebäudes direkt im Blick. "Aber so wie jetzt im Café habe ich damals eigentlich gar nicht gesessen, sondern mir selbst einen ziemlich strengen und vollen Wochenplan auferlegt", fügt sie hinzu. "Es ist ein gutes Gefühl, etwas von dem weitergeben zu können, was ich hier gelernt habe." Sie genieße das - um so mehr in dieser Umgebung: "Das ist ein schönes Gebäude, so eine Atmosphäre macht viel aus."

Einmal im Monat kommt Marion Poschmann, die als freie Schriftstellerin in Berlin lebt, von der Spree an den Rhein zurück, um jeweils am Freitagabend und Samstagvormittag ein Blockseminar zur inzwischen fünften Thomas-Kling-Poetikdozentur zu halten. Teil 1: "Poetische Taxonomie - Flora utopica. Textdetail und Weltentwurf - Einzelansicht". Soweit der akademische Titel. Oder um es mit einfachen Worten auszudrücken: "Es geht um Blumen und um die Einordnung der Lebewesen in ein übergeordnetes System." Teil des Konzepts: Anschauungsunterricht bei einer Ikebana-Lehrerin und eine Führung durch den Botanischen Garten. Teil 2 folgt im Wintersemester 2015/16 - dann heißt das Thema "Pilze".

Die berühmte blaue Blume der Romantik war es in ihrem Fall nicht (vielmehr ein Bild auf einer Schokoladentafel), was sie im Vorschulalter zu ihren ersten selbst ausgedachten Geschichten inspirierte: "Schriftstellerin wollte ich immer schon werden", erinnert sich Marion Poschmann. Wobei sich ein exakter Zeitpunkt für diesen Wunsch gar nicht bestimmen lasse. Jedenfalls, so ergänzt sie mit Augenzwinkern, sei sie so ein Kind gewesen, das immer mit Buch vor der Nase herumlief, in den Ferien schweres Gepäck mit sich führte und es liebte, sich in jemand anderen hineinzuversetzen. "Ein extremes Glücksgefühl, eine Faszination, die mich seitdem nicht mehr losgelassen hat; all diese unglaublichen Möglichkeiten der Identität - ob in Prosa oder Gedichten."

Das ist es, was sie an- und umgetrieben hat - von Essen, wo sie am 15. Dezember 1969 geboren wurde, aufwuchs und die Schule besuchte, über Bonn nach Berlin, wo sie 1994 außerdem Szenisches Schreiben an der Hochschule der Künste studierte. 1997 bis 2003 unterrichtete sie Deutsch im Rahmen des deutsch-polnischen Grundschulprojekts "Spotkanie heißt Begegnung". Ihr erster Roman "Baden bei Gewitter" erschien 2002. "Was für ein unglaubliches Glück, sofort einen Verlag zu finden", schaut sie zurück. Und noch mehr als das. Der Verlag, der an sich gar keine Lyrik im Programm hat, brachte schließlich auch ihren ersten Gedichtband heraus. Für ihre literarische Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet (unter anderem 2011 mit dem Peter-Huchel-Preis und 2013 mit dem Wilhelm-Raabe-Literaturpreis); sie ist Mitglied der Autorenvereinigung "PEN-Zentrum Deutschland". Ihr jüngster Roman "Die Sonnenposition" erschien 2013.

Sie zählt die Schriftsteller des "Klassischen Moderne" wie James Joyce, Thomas Mann und Robert Musil zu ihren Favoriten und liebt die Gedichte von Rainer Maria Rilke und Paul Celan. Sie glaubt nicht wirklich, dass man Dinge tatsächlich erlebt haben muss, um darüber schreiben zu können. Sie vertraut vielmehr auf Recherche, Eingebung und die Freiheit der Gedanken. Ganz bewusst schreibt sie erst mit Bleistift auf Papier, bevor sie sich an den Computer setzt. "Man muss sich jeden Text erarbeiten - und das gilt für Lyrik und Prosa gleichermaßen."

Was unterscheidet für Marion Poschmann einen professionellen Schriftsteller von denen, die sich einfach bloß mal selbst am Schreiben versuchen möchten? "Den toten Punkt, an den jeder früher oder später kommt, zu überwinden, es aussitzen zu können, während es im Kopf weiterarbeitet. Es fällt mir allerdings schwer, solche Phasen des “Nichtstuns„ auszuhalten." Das zu glauben, ist wiederum recht leicht - angesichts einer beeindruckenden Liste von Preisen und Publikationen.

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