Bonner Universitäts-Augenklinik Neue Forschergruppe entwickelt ein einzigartiges Mikroskop

BONN · Wissenschaftler der Universitäts-Augenklinik dringen in ein vollkommen neues Forschungsfeld vor: Sie entwickeln aus rund 1000 Einzelteilen ein Spezialmikroskop, das mit Hilfe eines Lasers einzelne Fotorezeptoren der Netzhaut im menschlichen Auge untersuchen und stimulieren kann.

 Wolf Harmening mit Modellen des menschlichen Auges. Er leitet die Forschergruppe, die ein Mikroskop entwickelt, mit dem sich Sinneszellen in der Netzhaut stimulieren und untersuchen lassen.

Wolf Harmening mit Modellen des menschlichen Auges. Er leitet die Forschergruppe, die ein Mikroskop entwickelt, mit dem sich Sinneszellen in der Netzhaut stimulieren und untersuchen lassen.

Foto: Rolf Müller

Davon versprechen sich die Forscher neuartige Erkenntnisse zur Funktionsweise des Auges und zur Wirkweise von Medikamenten. Die neue Emmy-Noether-Forschergruppe - derzeit deutschlandweit die einzige in der Augenheilkunde - wird auf fünf Jahre mit rund 1,6 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Das neuartige Instrument zur Untersuchung des menschlichen Auges ist eine Kombination aus einem Laser und einem sehr hochauflösenden Mikroskop, das einzelne Sinneszellen der Netzhaut abbilden kann. "Ein solches Gerät ist nicht auf dem Markt zu haben - ähnliche experimentelle Geräte gibt es bislang nur in Berkeley und Birmingham/Alabama in den USA", sagt der Biologe Dr. Wolf Harmening, der die neue Forschergruppe leitet, verheiratet ist und zwei Söhne hat.

Ziel ist ein Mikroskop, in dem ein Laser-Lichtpunkt über die Netzhaut wandert und Bilder in bislang nicht gekannter Schärfe aufzeichnet. "Bislang wird von Patienten meist ein Bild von der gesamten Netzhaut aufgenommen", sagt Harmening. "Wir möchten dagegen auf der Ebene einzelner Sinneszellen arbeiten." Die Herausforderung besteht darin, dass das Mikroskop für diesen Zweck mit einer ungewöhnlich großen optischen Auflösung arbeiten muss. Schließlich befinden sich auf der menschlichen Netzhaut, die etwas größer als eine Briefmarke ist, rund 130 Millionen Sinneszellen. Die kleinsten Rezeptoren haben einen Durchmesser von nur zwei Tausendstelmillimeter.

Unregelmäßigkeiten der Linse und der Hornhaut des Auges verzerren aber das Bild. Aus der Astronomie haben die Wissenschaftler eine Methode übernommen, mit dem sich die Verzerrungen im Augenmikroskop kompensieren lassen. Sie messen die Abweichungen von der Idealform im Auge des Patienten auf den Tausendstelmillimeter genau. Ein flexibler Spiegel, der sich durch Aktuatoren verbiegen lässt, nimmt eine Form an, die diese Unregelmäßigkeiten im Auge genau kompensiert. Durch die Spiegelung wird die optische Abweichung aufgehoben, die einzelnen Sinneszellen der Netzhaut erscheinen gestochen scharf.

Mit dieser Technik erschließt sich ein vollkommen neues Feld in der Erforschung des menschlichen Auges: Wie ergeht es einer einzelnen Netzhautzelle, und wie trägt sie zum Seheindruck bei? Durch die Stimulation bestimmter Fotorezeptoren können die Wissenschaftler die Funktionsweise der Netzhaut grundlegend untersuchen: Was sieht ein Proband, wenn eine bestimmte Sinneszelle angeregt wird? Darüber hinaus lässt sich mit dem neuartigen Mikroskop auch die Wirkung vieler Therapien testen: Wie reagiert eine Netzhautzelle auf ein bestimmtes Medikament oder eine konkrete Behandlung?

"Dieses innovative Bildgebungsverfahren mit funktioneller Kopplung kann nicht nur weiterführende Erkenntnisse bezüglich des natürlichen Verlaufs von potenziellen zur Erblindung führenden Netzhauterkrankungen liefern, sondern auch pharmakologische, stammzellenbasierte oder gentherapeutische interventionelle Studien ermöglichen", sagt Professor Dr. Frank Holz, Direktor der Universitäts-Augenklinik Bonn.

Das Emmy-Noether-Programm

Mit dem Emmy-Noether-Programm möchte die Deutsche Forschungsgemeinschaft jungen Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbstständigkeit eröffnen. Dr. Wolf Harmening, Leiter der Gruppe in Bonn, machte sein Diplom in Biologie an der RWTH Aachen und belegte nebenbei noch Elektrotechnik. Nach seiner Promotion war er Wissenschaftlicher Assistent in der Tierphysiologie an der RWTH. An der University of California in Berkeley (USA) konzentrierte er sich auf die Erforschung des menschlichen Auges.

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