Markus Gabriel Philosoph ist mit 29 Jahren jüngster Professor an der Uni Bonn

BONN · Markus Gabriel hat sich schon längst daran gewöhnt, dass er öfters als Kommilitone angesehen wird. So lange ist seine Studienzeit auch noch nicht her. Seit kurzem ist der 29-Jährige Professor für Erkenntnistheorie und Philosophie der Neuzeit an der Bonner Universität der jüngste Professsor überhaupt.

 Unkonventionell: Professor Markus Gabriel in der Bibliothek der Philosophen an der Lennéstraße in Bonn.

Unkonventionell: Professor Markus Gabriel in der Bibliothek der Philosophen an der Lennéstraße in Bonn.

Foto: Volker Lannert

"Manchmal gibt es schon überraschte Gesichter, wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde", schmunzelt Gabriel. Meist lässt er dann nicht gleich die Katze aus dem Sack, sondern bezeichnet sich als "Begriffskünstler". Philosophen versuchen schließlich, mit Worten die Welt zu beschreiben und zu erklären - zweifellos eine Kunst.

"Die Erkenntnistheorie untersucht die Formen des Zugangs zur Welt", erklärt der Philosoph. Sie befasse sich mit der Frage, wie Wissen zustande und wie man zur Erkenntnis kommt. Gabriel hält seinen Kugelschreiber in die Höhe.

"Ist es wirklich nur ein Schreibwerkzeug oder könnte dieser Gegenstand in anderen Kulturen nicht auch noch eine andere Aufgabe erfüllen?", fragt der Professor verschmitzt. Letztlich gehe es also um die fundamentale Frage "Was ist wahr?".

Der Mann im grauen Anzug, blauem Hemd mit offenem Kragen und weißen Slippers hat in kurzer Zeit viel erreicht. Das Tempo liegt ihm offenbar im Blut. Sein für einen Professor sehr junges Alter ist für ihn nichts Außergewöhnliches. Gabriel war schon immer ziemlich schnell.

"Als ich mit 15 Jahren erstmals mehr über Philosophie erfahren habe, war für mich klar: Ich will Philosophie-Professor werden", berichtet Gabriel. Am Konrad-Adenauer-Gymnasium in Bonn hatte der gebürtige Remagener auch die Möglichkeit, sich intensiver mit dem Fach auseinanderzusetzen.

Ansonsten habe ihn die Schule eher gelangweilt. Dann kam sein Zivildienst in der Altenpflege in Sinzig. Tagsüber betreute er Senioren, abends saß er am Schreibtisch und studierte. Gabriel hat sich für das Magister-Studium der Philosophie, Klassischen Philologie (Griechisch) und Neuere Deutsche Literaturwissenschaft an der Fern-Universität Hagen eingeschrieben.

"Das war die einzige Möglichkeit, an die Scheine zu kommen", sagt der Philosoph. Bereits nach dem zweiten Semester hat er trotz des zivildienstbedingten Abendstudiums sämtliche Scheine in der Tasche und studiert anschließend in Bonn und Heidelberg weiter. An der Ruprecht-Karls-Universität machte er dann im Turbo-Verfahren auch noch gleich seinen Doktor über die Spätphilosophie Schellings.

"Manchmal war das Arbeitspensum schon ziemlich hart", berichtet Gabriel. "Aber mir war klar, dass man die besten Chancen hat, wenn man mit schnellen Ergebnissen überrascht." Aufenthalte als Gastforscher in Lissabon und Postdoc-Stipendiat in New York folgten.

Anschließend habilitierte er über "Skeptizismus und Idealismus in der Antike" in Heidelberg. Bevor Gabriel im Juli nach Bonn kam, war er Assistant Professor in New York City. "Ich wollte in Deutschland nicht jahrelang auf eine Professur warten", begründet er. Eine Beförderung zum Associate Professor in New York lehnte er dann aber ab und nahm stattdessen den Ruf an den Rhein an.

"Das Angebot aus Bonn war sehr gut", sagt Gabriel. "Bonn ist gemütlich - schon wegen der guten alten Rheinromantik." Der Philosoph lehnt sich entspannt in seinem Stuhl zurück. Richtig wohnlich ist sein Büro in der alten Villa an der Lennéstraße noch nicht.

Die weißen Regale sind noch leer. Ansonsten verrät auch sonst nicht viel über den Geschmack und die Interessen des Professors. "Zum Einräumen hatte ich bisher noch keine Zeit", sagt Gabriel. Das mag auch daran liegen, dass Gabriel viel reist und sich mit anderen Philosophen trifft - etwa in Portugal oder Argentinien.

"Ich möchte die deutsche Philosophie im internationalen Kontext verorten", sagt Gabriel. Schließlich gehe es nicht nur darum, Aufsätze zu schreiben. "Die Philosophie lebt vom Dissens und vom Austausch mit anderen."

Dabei hilft ihm auch, dass er acht Fremdsprachen spricht. Das Tempo, mit dem Gabriel durch die Welt eilt, erstreckt sich nicht nur auf die Philosophie. "Ich bin kein eingefahrener Wissenschaftler und stehe dem Leben nicht fern", sagt er.

Sport, Film, Gegenwartskunst, Konzerte, Reisen sind nur einige seiner Interessen. Und er geht auch häufiger auf Partys. Dort wird er öfters nach seinem Beruf gefragt. Dann fällt wieder die Umschreibung vom "Begriffskünstler".

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